Studienwechsel als Chance
Hat man die falsche Richtung eingeschlagen, sollten das Ruder herumgerissen und der Kurs gewechselt werden. Vielleicht muss man gar nicht so weit vom Kurs abkommen.

Julia ist verzweifelt. Nach dem Abitur entschied sie sich, gleich mit dem Studium zu beginnen. Ihr Studienziel hatte sie schon lange klar vor Augen: Betriebswirtschaftslehre. Wenn sie danach gefragt wurde, warum sie genau dieses Fach studieren möchte, antwortete Julia, dass sie sehr gern Verantwortung übernimmt und in Leitungspositionen Projekte koordiniert. Außerdem wollte sie mit Menschen arbeiten.
Dass das Studium ihren konkreten Vorstellungen jedoch nicht entspricht, merkte sie schon nach einigen Wochen. BWL zu studieren bedeutet nun mal auch, Wirtschaftstheorie, Mathematik und Informatik zu büffeln. Das hat Julia bei ihrer Entscheidung nicht bedacht. Nach Statistiken des Bildungsministeriums stellen sich aufgrund falscher Erwartungen jedes Jahr 42 Prozent der Studierenden dieselbe Frage wie Julia: War die Entscheidung die richtige?
Gründe der Unzufriedenheit
Sind die Zweifel erst einmal da, gilt es durch eine genaue Analyse der Situation Gründe für die Unzufriedenheit zu finden und persönliche Konsequenzen zu ziehen. Bei der Suche nach den Gründen für die Unzufriedenheit stellt sich Julia die Fragen: Ist es generell die Fachrichtung, die nicht zu den eigenen Erwartungen passt? Oder die Umsetzungen des Studienganges an der Universität? Sind vielleicht finanzielle Gründe ausschlaggebend für die Unzufriedenheit oder gar die Umgebung, in der Julia lebt?
Erhellend kann eine Pro- und Contra Liste sein, die alle Argumente für und gegen die derzeitige Studiensituation erfasst. In dieser Situation nützt auch ein Gespräch mit dem Studentenwerk oder dem Studienberater der eigenen Fakultät. Informationen über die konkreten Ansprechpersonen sind auf den Fakultätsseiten und unter www.studentenwerk-berlin.de zu finden.
Finanzen checken
Die Unzufriedenheit mit dem gewählten Studiengang bedeutet nicht gleich, dass ein kompletter Orientierungswechsel nötig ist. Möglicherweise kommt Julia nicht mit ihrem veralteten Diplomstudiengang zurecht und sollte BWL in einem [intlink id=“69” type=“post”]Bachelorstudium [/intlink]studieren. Manchmal hilft allein der Wechsel an eine Fachhochschule, die um einiges praxisorientierter und verschulter arbeitet oder der Wechsel an eine andere Universität, die den Fokus des Fachbereiches auf andere Schwerpunkte legt. Wählt man hingegen einen Studienfachwechsel, ändert sich der komplette Inhalt.
Stellt Julia nun fest, dass tatsächlich der Studiengang nicht zu ihr passt, sollte sie die finanziellen Risiken berücksichtigen. Vor allem für [intlink id=“699” type=“post”]Bafög[/intlink]-Empfänger kann ein Wechsel bitter sein. Bafög errechnet sich nach Hochschulsemestern nicht nach Fachsemestern. Das heißt, wenn Julia nach dem zweiten Semester wechselt, wird sie nur noch acht Semester gefördert. Sollte sie nach dem vierten Semester wechseln bzw. ein zweites Mal einen anderen Studiengang aufnehmen, erlischt Bafög komplett!
Ebenso sehen Banken, die Studienkredite vergeben, einen Studienfachwechsel nicht gern. Sie sind meist nicht verpflichtet, die Leistungen danach weiterzuzahlen. Es sollte im Vorfeld geklärt werden, ob der spezifische Wechsel akzeptiert wird. Stiftungen sind dabei unkomplizierter. Findet der Wechsel nach dem zweiten Semester gut begründet statt, ist die Fortsetzung der Förderung meist gesichert. Allerdings ist dabei wichtig, ob ein Neigungswechsel stattfindet, oder nur ein Wechsel des Fächerschwerpunktes. Ist ein kompletter Neigungswechsel, beispielsweise von Kunstgeschichte zu Biochemie der Fall, sinken die Chancen auf eine Förderung durch Studienkredite und Stiftungen.
Vor allem Kreditvergabestellen gehen mit einer attraktiven Förderung durch niedrige Zinssätze ein hohes Risiko ein und fordern dafür eine Sicherheit für das erfolgreiche Absolvieren des gewählten Studiums. Dasselbe gilt für den Wechsel innerhalb einen Masterstudienganges. Weitere Informationen sind auf den einzelnen Homepages der Stiftungen und Kreditvergabestellen zu finden. Die Förderungskonditionen von Bafögberechtigten sind detailliert auf www.das-neue-bafoeg.de aufgelistet.
Oftmals werden auch die Richtlinien der Versicherungen unterschätzt. Bei einem Studiengangwechsel wird dieses Angebot durch die Begrenzung der Dauer auf 14 Hochschulsemester ebenfalls gekürzt. Weitere Informationen findet man zum Beispiel unter www.aok4you.de. Außerdem sollte beachtet werden, dass die Kindergeldförderung mit 25 Jahren eingestellt wird und somit eine wichtige Finanzquelle wegfällt.
Diesmal mit Plan
Nach Berichten des Studentenwerks haben sich ein Drittel der 46.000 Studiengangwechsler im Jahr 2007/2008 nicht über die Konsequenzen auf die Förderungsdauer von Bafög im Vorfeld des Wechselns informiert. Ohne Geld kann man nicht studieren. Es sollte im Vorfeld des Studiengangwechsels klar sein, ob es möglich ist, in einem Nebenjob zu arbeiten oder andere finanzielle Ressourcen zu finden, falls eine bisherige Förderung wegbricht.
Entscheidet sich Julia nun wirklich für einen Studiengangwechsel, sind auch bei der Wahl des Studienganges einige Dinge zu beachten. Einmal das Studienfach zu wechseln ist kein Problem und lässt sich gut beim kommenden Arbeitgeber begründen, ein zweiter Wechsel wird schon problematischer. Am besten besucht Julia im Vorfeld der Bewerbung Veranstaltungen im gewünschten neuen Fachbereich, sucht das Gespräch mit Studierenden der höheren Semester und informiert sich genau über die Studienverläufe und Inhalte.
Nicht jeder Studiengang ist überall gleich. Es ist außerdem zu bedenken, dass die Stadt und das Hochschulumfeld zur Qualität des Studiums beitragen, also sind auch diese zu prüfen. Sehr hilfreich für die Informationsbeschaffung sind verschiedene studentische Gruppen der Universität (Asta, Fachschaften, Studentenzeitungen etc.).
Julia hat ihren Studienfachwechsel nun gut durchdacht und vorbereitet. Sie wird sich für das kommende Wintersemester für Sozialwissenschaften entscheiden, da sie durch intensive Gespräche und eigene Reflexion herausgefunden hat, dass sie sehr viele Interessen in diesem Bereich hat und auch mit einem sozialwissenschaftlichen Studium im Berufsleben durchaus Verantwortung übernehmen kann.