Studienwechsel als Chance

Hat man die fal­sche Rich­tung ein­ge­schla­gen, soll­ten das Ruder her­um­ge­ris­sen und der Kurs gewech­selt werden. Viel­leicht muss man gar nicht so weit vom Kurs abkommen.

Junge Frau läßt sich vor dem Studienplatzwechsel von ihrem Freund beraten. Vor dem Studienplatzwechsel müüsen die Auswirkungen auf das Bafög beachtet werden. Foto: Albrecht Noack

Julia ist ver­zwei­felt. Nach dem Abitur ent­schied sie sich, gleich mit dem Stu­dium zu begin­nen. Ihr Stu­di­en­ziel hatte sie schon lange klar vor Augen: Betriebs­wirt­schafts­lehre. Wenn sie danach gefragt wurde, warum sie genau dieses Fach stu­die­ren möchte, ant­wor­tete Julia, dass sie sehr gern Ver­ant­wor­tung über­nimmt und in Lei­tungs­po­si­tio­nen Pro­jekte koor­di­niert. Außer­dem wollte sie mit Men­schen arbeiten.

Dass das Stu­dium ihren kon­kre­ten Vor­stel­lun­gen jedoch nicht ent­spricht, merkte sie schon nach eini­gen Wochen. BWL zu stu­die­ren bedeu­tet nun mal auch, Wirt­schafts­theo­rie, Mathe­ma­tik und Infor­ma­tik zu büf­feln. Das hat Julia bei ihrer Ent­schei­dung nicht bedacht. Nach Sta­tis­ti­ken des Bil­dungs­mi­nis­te­ri­ums stel­len sich auf­grund fal­scher Erwar­tun­gen jedes Jahr 42 Pro­zent der Stu­die­ren­den die­selbe Frage wie Julia: War die Ent­schei­dung die richtige?

Gründe der Unzufriedenheit

Sind die Zwei­fel erst einmal da, gilt es durch eine genaue Ana­lyse der Situa­tion Gründe für die Unzu­frie­den­heit zu finden und per­sön­li­che Kon­se­quen­zen zu ziehen. Bei der Suche nach den Grün­den für die Unzu­frie­den­heit stellt sich Julia die Fragen: Ist es gene­rell die Fach­rich­tung, die nicht zu den eige­nen Erwar­tun­gen passt? Oder die Umset­zun­gen des Stu­di­en­gan­ges an der Uni­ver­si­tät? Sind viel­leicht finan­zi­elle Gründe aus­schlag­ge­bend für die Unzu­frie­den­heit oder gar die Umge­bung, in der Julia lebt?

Erhel­lend kann eine Pro- und Contra Lis­te sein, die alle Argu­mente für und gegen die der­zei­tige Studien­situation erfasst. In dieser Situation­ nützt auch ein Gespräch mit dem Stu­den­ten­werk oder dem Stu­di­en­be­ra­ter der eige­nen Fakul­tät. Infor­ma­tio­nen über die kon­kre­ten Ansprech­per­so­nen sind auf den Fakul­täts­sei­ten und unter www.studentenwerk-berlin.de zu finden.

Finanzen checken

Die Unzu­frie­den­heit mit dem gewähl­ten Stu­di­en­gang bedeu­tet nicht gleich, dass ein kom­plet­ter Ori­en­tie­rungs­wech­sel nötig ist. Mög­li­cher­weise kommt Julia nicht mit ihrem ver­al­te­ten Diplom­stu­di­en­gang zurecht und sollte BWL in einem [int­link id=“69” type=“post”]Bachelorstudium [/intlink]studieren. Manch­mal hilft allein der Wech­sel an eine Fach­hoch­schule, die um eini­ges pra­xis­ori­en­tier­ter und ver­schul­ter arbei­tet oder der Wech­sel an eine andere Uni­ver­si­tät, die den Fokus des Fach­be­rei­ches auf andere Schwer­punkte legt. Wählt man hin­ge­gen einen Stu­di­en­fach­wech­sel, ändert sich der kom­plette Inhalt.

Stellt Julia nun fest, dass tat­säch­lich der Stu­di­en­gang nicht zu ihr passt, sollte sie die finan­zi­el­len Risi­ken berück­sich­ti­gen. Vor allem für [int­link id=“699” type=“post”]Bafög[/intlink]-Empfänger kann ein Wech­sel bitter sein. Bafög errech­net sich nach Hoch­schul­se­mes­tern nicht nach Fach­se­mes­tern. Das heißt, wenn Julia nach dem zwei­ten Semes­ter wech­selt, wird sie nur noch acht Semes­ter geför­dert. Sollte sie nach dem vier­ten Semes­ter wech­seln bzw. ein zwei­tes Mal einen ande­ren Stu­di­en­gang auf­neh­men, erlischt Bafög komplett!

Ebenso sehen Banken, die Stu­di­en­kre­dite ver­ge­ben, einen Stu­di­en­fach­wech­sel nicht gern. Sie sind meist nicht ver­pflich­tet, die Leis­tun­gen danach wei­ter­zu­zah­len. Es sollte im Vor­feld geklärt werden, ob der spe­zi­fi­sche Wech­sel akzep­tiert wird. Stif­tun­gen sind dabei unkom­pli­zier­ter. Findet der Wech­sel nach dem zwei­ten Semes­ter gut begrün­det statt, ist die Fort­set­zung der För­de­rung meist gesi­chert. Aller­dings ist dabei wich­tig, ob ein Nei­gungs­wech­sel statt­fin­det, oder nur ein Wech­sel des Fächer­schwer­punk­tes. Ist ein kom­plet­ter Nei­gungs­wech­sel, bei­spiels­weise von Kunst­ge­schichte zu Bio­che­mie der Fall, sinken die Chan­cen auf eine För­de­rung durch Stu­di­en­kre­dite und Stiftungen.

Vor allem Kre­dit­ver­ga­be­stel­len gehen mit einer attrak­ti­ven För­de­rung durch nied­rige Zins­sätze ein hohes Risiko ein und for­dern dafür eine Sicher­heit für das erfolg­rei­che Absol­vie­ren des gewähl­ten Stu­di­ums. Das­selbe gilt für den Wech­sel inner­halb einen Mas­ter­stu­di­en­gan­ges. Wei­tere Infor­ma­tio­nen sind auf den ein­zel­nen Home­pages der Stif­tun­gen und Kre­dit­ver­ga­be­stel­len zu finden. Die Förderungskon­ditionen von Bafög­be­rech­tig­ten sind detail­liert auf www.­das-neue-bafoeg.de aufgelistet.

Oft­mals werden auch die Richt­li­nien der Ver­si­che­run­gen unter­schätzt. Bei einem Studien­gangwechsel wird dieses Ange­bot durch die Begren­zung der Dauer auf 14 Hochschulsemes­ter eben­falls gekürzt. Wei­tere Infor­ma­tio­nen findet man zum Bei­spiel unter www.aok4you.de. Außer­dem sollte beach­tet werden, dass die Kin­der­geld­för­de­rung mit 25 Jahren ein­ge­stellt wird und somit eine wich­tige Finanz­quelle wegfällt.

Diesmal mit Plan

Nach Berich­ten des Stu­den­ten­werks haben sich ein Drit­tel der 46.000 Stu­di­en­gang­wechs­ler im Jahr 2007/2008 nicht über die Kon­se­quen­zen auf die För­de­rungs­dauer von Bafög im Vor­feld des Wech­selns infor­miert. Ohne Geld kann man nicht stu­die­ren. Es sollte im Vor­feld des Stu­di­en­gang­wech­sels klar sein, ob es mög­lich ist, in einem Neben­job zu arbei­ten oder andere finan­zi­elle Res­sour­cen zu finden, falls eine bis­he­rige För­de­rung wegbricht.

Ent­schei­det sich Julia nun wirk­lich für einen Stu­di­en­gang­wech­sel, sind auch bei der Wahl des Stu­di­en­gan­ges einige Dinge zu beach­ten. Einmal das Stu­di­en­fach zu wech­seln ist kein Pro­blem und lässt sich gut beim kom­men­den Arbeit­ge­ber begrün­den, ein zwei­ter Wech­sel wird schon pro­ble­ma­ti­scher. Am besten besucht Julia im Vor­feld der Bewer­bung Ver­an­stal­tun­gen im gewünsch­ten neuen Fach­be­reich, sucht das Gespräch mit Stu­die­ren­den der höhe­ren Semes­ter und infor­miert sich genau über die Stu­di­en­ver­läufe und Inhalte.

Nicht jeder Stu­di­en­gang ist über­all gleich. Es ist außer­dem zu beden­ken, dass die Stadt und das Hoch­schul­um­feld zur Qua­li­tät des Stu­di­ums bei­tra­gen, also sind auch diese zu prüfen. Sehr hilf­reich für die Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung sind ver­schie­dene stu­den­ti­sche Grup­pen der Uni­ver­si­tät (Asta, Fach­schaf­ten, Stu­den­ten­zei­tun­gen etc.).

Julia hat ihren Stu­di­en­fach­wech­sel nun gut durch­dacht und vor­be­rei­tet. Sie wird sich für das kom­mende Win­ter­se­mes­ter für Sozi­al­wis­sen­schaf­ten ent­schei­den, da sie durch inten­sive Gesprä­che und eigene Refle­xion her­aus­ge­fun­den hat, dass sie sehr viele Inter­es­sen in diesem Bereich hat und auch mit einem sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Stu­dium im Berufs­le­ben durch­aus Ver­ant­wor­tung über­neh­men kann.

Über Janine Noack (20 Artikel)
Janine studierte von 2009-2012 Geschichte, Politk und Soziologie an der HU Berlin und absolviert derzeit ihren Master in Modern European History an der Universität Cambridge.