WER REGIERT DIE STADT? Protest der HfS “Ernst Busch”

Die Stu­den­ten der HfS machen nach der Absage des Neu­baus eine Kampf­an­sage. Andere Kunst­hoch­schu­len und Bevöl­ke­rung steht laut Stu­den­ten hinter ihnen.

Planung des Protests in Berlin Mitte (Foto: PR)

Die ganze ver­gan­gene Woche besetz­ten die Stu­den­ten der Hoch­schule für Schau­spiel­kunst Ernst Busch das Grund­stück in Berlin Mitte, auf dem ihre Hoch­schule einen neuen, zen­tra­len Platz finden sollte. Mit Ein­wil­li­gung des Besit­zers stu­die­ren die Stu­den­ten dort unter freiem Himmel und in Zelten. Ihr Pro­test prallte ab — ges­tern Abend kam die Absage der Poli­tik — heute kommt die Ansage des Kamp­fes der Stu­den­ten der Hoch­schule für Schau­spiel­kunst Ernst Busch:

Studenten erklären sich

„Wer regiert die Stadt? Der Senat oder die Frak­tion?“ Nach­dem die Koali­tion am Frei­tag­abend in einer poli­tisch ent­lar­ven­den Sit­zung des Haupt­aus­schus­ses gegen den Bau der Hoch­schule in Mitte stimmte, ist der Pro­test der Stu­den­ten über die Stand­ort­frage ihrer Hoch­schule hin­aus­ge­wach­sen. „Dass bil­dungs- und kul­tur­po­li­ti­sche Fragen zum Spiel­ball par­tei­po­li­ti­scher Macht­spiele werden, ist ein skan­da­lö­ser Vor­gang, gegen den wir mit aller Kraft vor­ge­hen werden”, so ein Spre­cher der Studierenden.

Auf­räum­ar­bei­ten vor Beginn des Protestcamps

Der par­la­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der SPD Thors­ten Schnei­der hatte seit einer Woche behaup­tet, eine Sanie­rung der bestehen­den Stand­orte in Nie­der­schö­ne­weide und im Prenz­lauer Berg sei kos­ten­güns­ti­ger als der seit Jahren geplante Bau in Mitte. Die Kosten einer Sanie­rung des maro­den Asbest­baus am alten Stand­ort hatte er dabei nicht einmal geprüft. Als der Stu­den­ten­pro­test die Jour­na­lis­ten auf diesen poli­tisch- hand­werk­li­chen Fehler auf­merk­sam machte, stampfte Thors­ten Schnei­der in einer Nacht- und-Nebel-Aktion das ganze Bau-Pro­jekt kur­zer­hand ein. Statt dessen beschloss der Haupt­aus­schuss, die nächs­ten zwei Jahre mit einer erneu­ten Prü­fung von Ein­spar­mög­lich­kei­ten zu ver­brin­gen, für die wei­tere zwei Mil­lio­nen Euro ver­an­schlagt sind. Damit werden genau die zwei Mil­lio­nen, die angeb­lich als Mehr­kos­ten des Pro­jekts Chaus­see­straße nicht trag­bar waren, für eine erneute Son­die­rung aus­ge­ge­ben. Wei­tere Mil­lio­nen werden für Abfin­dun­gen fällig werden. Damit stei­gen die Steu­er­gel­der, die für das nun nicht rea­li­sierte Pro­jekt ver­schwen­det werden, bis 2014 auf sechs Mil­lio­nen Euro an. Die Oppo­si­ti­ons­par­teien wun­dern sich über den ver­däch­tig plötz­li­chen Umschwung in der Koali­tion und über die intrans­pa­rente Ent­schei­dungs­fin­dung. Zudem wird geprüft, ob es am gest­ri­gen Abend zu einem recht­li­chen Ver­stoß gekom­men ist: Meh­rere Stu­den­ten wurden trotz freier Plätze im Sit­zungs­saal daran gehin­dert, der öffent­li­chen Ver­samm­lung des Haupt­aus­schus­ses bei­zu­woh­nen. Wie ein Poli­zei­spre­cher berich­tete, waren die Beam­ten vor­sichts­hal­ber bestellt worden. Der Dis­kus­sion im Haupt­aus­schuss sollte nicht zu viel Öffent­lich­keit gege­ben werden.

Standortfrage “Ernst Busch”

Wäh­rend in ande­ren Bau­pro­jek­ten wie etwa dem ICC und der Zen­tra­len Lan­des­bi­blio­thek Berlin Kos­ten­stei­ge­run­gen durch­ge­winkt werden, hängt sich die Koali­tion bei der Stand­ort­frage für die „Ernst Busch“ an einer ver­gleichs­weise gerin­gen Kos­ten­stei­ge­rung auf. Dass die Ober­grenze von 32,5 Mil­lio­nen Euro zwin­gend gewe­sen sei, ist dabei ein schwa­ches Argu­ment. Jede vom Par­la­ment beschlos­sene Bau­kos­ten­summe muss formal ein­ge­hal­ten werden und wird in aller Regel auf­ge­stockt. Die Spar­liste der Hoch­schule blieb von den Ent­schei­dungs­trä­gern unbe­ach­tet. Die HfS hatte ver­gan­gene Woche ange­bo­ten, die Mehr­kos­ten zum Teil aus Mit­teln zu bestrei­ten, die wegen des guten eige­nen Wirt­schaf­tens als Rück­lage bestehen.

Noch drei Jahre in maroden Gebäude

Die CDU plä­dierte dafür, „Tempo in das Pro­jekt zu brin­gen“ und lässt der­weil die Stu­den­ten noch min­des­tens wei­tere drei Jahre in dem maro­den Gebäude stu­die­ren, bis der Haus­halt 201415 ver­ab­schie­det wird. Anträge der Oppo­si­tion, die Ent­schei­dung wegen der dünnen Argu­men­ta­tion zu ver­ta­gen, wurden über­hört. Der­weil weitet sich der Ver­dacht aus, dass ein Pri­vat­in­ves­tor hinter dem Veto der Koali­ti­ons­par­teien gegen den Einzug der Schau­spiel­schule in der Chaus­see­straße steht.

400-Zimmer-Hotel auf angrenzendem Grundstück

Auf dem angren­zen­den Grund­stück will ein Inves­tor ein 400-Zimmer-Hotel errich­ten. Min­des­tens 4,5 Mil­lio­nen Euro, so der stell­ver­tre­tende finanz­po­li­ti­sche Spre­cher der SPD Nolte, könnte die Stadt für sich ver­bu­chen, wenn man auch das Grund­stück, auf das die Schau­spiel­schule ziehen will, ander­wei­tig ver­äu­ßern würde. Damit beugt sich die Koali­tion offen­sicht­lich einmal mehr den Spe­ku­la­tio­nen um die begehr­ten Grund­stü­cke in Berlin- Mitte.

Noch vor weni­gen Tagen hatte der Senat gegen­über der Hoch­schule erklärt, das Pro­jekt mit den Mehr­kos­ten zu tragen. Jetzt halten die Koali­ti­ons­frak­tio­nen die Finan­zie­rungs­pläne ihres eige­nen Senats für unglaub­wür­dig. Dass SPD und CDU nicht einmal mehr dem eige­nen Senat zutrauen, eine solide Kos­ten­pla­nung zu erstel­len, deutet auf eine Regie­rungs­krise hin. Der Regie­rende Bür­ger­meis­ter Wowe­reit scheint in den eige­nen Reihen seine Macht ver­lo­ren zu haben. Wenn selbst ein Senats­be­schluss in der Frak­ti­ons­sit­zung nicht mehr durch­ge­setzt werden kann, muss die Ver­trau­ens­frage gestellt werden. Wowe­reit ließ ein ver­ein­bar­tes Tref­fen mit der Hoch­schule absa­gen und war nicht einmal zu einer Stel­lung­nahme bereit. Jah­re­lang hatte er das Pro­jekt zur Chef­sa­che erklärt.

Aktionen sind geplant ‑Kunsthochschulen halten zusammen

Die Stu­den­ten werden sich mit diesem Wort­bruch nicht abfin­den. Längst haben sie sich nicht nur mit den Stu­den­ten der ande­ren Kunst­hoch­schu­len Ber­lins ver­netzt. Seite an Seite mit Stu­die­ren­den aller Ber­li­ner Hoch­schu­len, großen Insti­tu­tio­nen wie der Aka­de­mie der Künste und den Ber­li­ner Fest­spie­len sowie einer brei­ten Mehr­heit der Bevöl­ke­rung im Rücken planen sie für nächste Woche eine Reihe spek­ta­ku­lä­rer Aktio­nen, mit denen sie gegen die skan­da­löse Poli­tik der rot-schwar­zen Koali­tion kämp­fen wollen.