Der erste HIV-Test

“Hallo, ich wollte einen HIV-Test machen.” In dem Moment will ich schon gar nicht mehr. Wider­stre­bend erkläre ich der Frau vom Gesund­heits­amt am Tele­fon, dass ich ein “Risiko?” hatte. Sie gibt mir einen Termin. Am gesag­ten Tag komme ich mit einem Zahn­arzt­be­such­ge­fühl zum Gesund­heits­amt Schöneberg.

Pfört­ner, Treppe rauf, Emp­fang, War­te­zim­mer mit War­ten­den. Alle wegen des glei­chen Grun­des, denn hier wird nur der HIV-Test durch­ge­führt. Ich fühle mich ertappt und ertappe sie gleichzeitig.

Der Minu­ten­zei­ger meiner Uhr geht in die Mit­tags­pause. Die Zeit tropft endlos, wäh­rend jeder inter­es­siert an die Decke oder Wand starrt, um Augen­kon­takt zu ver­mei­den. End­lich führt mich eine Dame in einen ande­ren Raum und erklärt das Pro­ze­dere und die ver­schie­de­nen Wahr­schein­lich­kei­ten einer Über­tra­gung. Wir hätten auch über Golf­schlä­ger­scho­ner spre­chen können, ich merke mir eh nicht viel. Sie fragt, ob ich jeman­den zum Reden habe, falls das Ergeb­nis posi­tiv ist. “Nein?”, schallt es durch meinen Kopf. Meine beste Freun­din ist am ande­ren Ende der Welt. Doch es gibt noch andere Freunde und Fami­lie — ja, ich hätte jemanden.

Nach der Blut­ab­nahme bin ich nur noch eine Nummer. Warte eine Woche. Im Hin­ter­kopf schwebt “es?” hart­nä­ckig. Aber ich will mich damit nicht beschäf­ti­gen und trai­niere die Tugend des Ver­drän­gens. Zwi­schen Selbst­mit­leid, dass ich ein Opfer der Gesell­schaft bin, und schlech­tem Gewis­sen ver­bringe ich die sieben Tage.

Dann bin ich wieder im War­te­zim­mer. Obwohl es mir egal sein könnte, schäme ich mich vor der Frau, die mir gleich das Ergeb­nis sagen wird. Mein Zeit­ge­fühl funk­tio­niert schon lange nicht mehr zuver­läs­sig. Ich bin nega­tiv. Pflicht­be­wusst höre ich mir ihre Rat­schläge an. Wieder auf der Straße fühle ich mich wie nach einem Zahn­arzt­be­such, wenn nicht gebohrt wurde. Nur noch ein biss­chen besser.