Unterwegs
Hinterm deutschen Tellerrand liegt das Ausland. Wer sich dorthin wagt, kann einiges erleben – oder auch nicht.
Für ein Semester ist Kathleen in Finnland, hauptsächlich für ihr Biotechnologie-Studium, aber auch zum Land-und-Leute-Kennenlernen. Dazu sind sie schließlich da, die Auslandssemester: um Sprachkenntnisse zu verbessern, interkulturelle Kompetenzen zu erwerben und Innenansichten in das Gastland zu bekommen.
Am Ende ihres Finnlandaufenthalts ist Kathleen ein bisschen frustriert: Kennengelernt hat sie vor allem deutsche und spanische Austauschstudenten. Ihre Versuche, Finnisch zu lernen, wurden von ihren wenigen finnischen Kontakten oft mit einem „Lass das bloß, die Sprache zu lernen ist unmöglich!“ abgeschmettert. „Ausgegangen sind wir eigentlich immer nur in unserer Clique aus Ausländern. Im Labor habe ich zwar mit Finnen zusammengearbeitet, aber nach Feierabend sind alle getrennte Wege gegangen“, erzählt sie enttäuscht.
Ein Auslandsaufenthalt während des Studiums gehört mittlerweile in jeden guten Lebenslauf, das Erasmus-Programm macht die Organisation und Finanzierung besonders einfach. Etwa 17 Prozent aller deutschen Studenten nutzen das Stipendiumsprogramm, um an ausländischen Unis zu studieren, vor allem in Spanien, Frankreich und England.
Wie sehr man sich dabei wirklich in das Gastland integrieren kann, ist umstritten. Vier bis sechs Monate reichen zum Erwerb einer neuen Fremdsprache kaum aus. Und die einheimischen Studenten sind an ihren Gast-Kommilitonen nur bedingt interessiert. „Viele wollen nicht Zeit und Energie in eine Freundschaft investieren, wenn man in ein paar Monaten sowieso wieder verschwindet und die neuen Erasmusstudenten ankommen“, weiß auch Constanze. Ein Semester war sie an der Universität Haifa in Israel, und die einzigen Sprachkenntnisse, die sich zunächst bei ihr verbesserten, waren die in American Slang. „Ich wollte gerade kein Erasmus machen, weil ich keine Lust auf ein Partysemester hatte“, sagt sie. „Ich wollte eine echte Auslandserfahrung.“ In Haifa angekommen, hat sie ihre Freizeit gezwungenermaßen vor allem mit Amerikanern, einigen Deutschen und Schweden verbracht. „Das Programm für internationale Studenten ist im Prinzip super: Es gab Wochenendausflüge, Vorträge und Feiern. Aber man blieb eben ständig unter sich“, bedauert Constanze.
Auch in die englischsprachigen Kurse verirrte sich kaum ein israelischer Student. „Wenn mein Hebräisch besser wäre, dann hätte ich mich in die regulären Seminare gesetzt, und die Sache wäre vielleicht anders gelaufen.“ Dabei hatte sie sich das gesamte Semester durch täglich drei Stunden Hebräischunterricht gebissen. „Ich fand es schade. Gerade als ich anfing, die Sprache zu beherrschen und israelische Freunde zu finden, war das Semester vorbei.“ Deswegen entschied sich Constanze, direkt noch ein Semester in Haifa dranzuhängen. „Es ist harte Arbeit, sich auf das Land einzulassen“, findet sie. „Man muss den einfachen Weg ignorieren, sich an seine Landsleute oder andere Austauschstudenten zu halten.“
Aber letztlich, sagt sie, hat sich die Mühe gelohnt: „Ich habe einige richtig gute Freunde gefunden, und zum Schluss haben wir oft sogar hebräisch statt englisch gesprochen.“