Sag mir, wie du heißt

Namen gehö­ren zu unse­rer Iden­ti­tät. Sie müssen jedoch auch behörd­li­chen Erfor­der­nis­sen genü­gen. Daher drü­cken unsere Vor­na­men auch unser Geschlecht aus. Aber nicht alle Namen sind so ein­deu­tig wie Peter und Anna.

Foto: Albrecht Noack

Auf Behör­den­for­mu­la­ren gibt es ein Feld, wo das Geschlecht oder die Anrede ange­ge­ben werden muss. Denn Behör­den wollen genau wissen, ob sie Anga­ben von einem Mann oder einer Frau erhal­ten. 1792 begann in Frank­reich die zen­trale Per­so­nen­er­fas­sung und bildet den Aus­gangs­punkt des moder­nen staat­li­chen Pass­we­sens. Ein Pass soll die Iden­ti­tät einer Person ent­hal­ten, zu dieser Iden­ti­tät gehört nach Mei­nung der Obrig­keit auch das Geschlecht.

Namensrecht

Auch im Alltag begrü­ßen wir die Klar­heit eines Vor­na­mens wie „Klaus“ oder „Julia“. Aber laut Grund­ge­setz haben die Eltern eines Kindes das Recht, über den Namen ihres Kindes frei zu ent­schei­den, solange er nicht das Kin­des­wohl gefähr­det. Dies wäre jedoch der Fall, wenn der Name dem Kind keine Mög­lich­keit bietet, sich mit einem Geschlecht zu iden­ti­fi­zie­ren. Daher wird den Stan­des­be­am­ten per Dienst­an­wei­sung auf­er­legt, nur Namen zu akzep­tie­ren, die ein­deu­tig weib­lich oder männ­lich sind. Ist ein Name geschlechts­neu­tral, wie Kai, Kim oder Alex, ist es nach der Ver­wal­tungs­vor­schrift erfor­der­lich, dass „dem Kinde ein wei­te­rer, den Zwei­fel aus­schlie­ßen­der Vor­name bei­gelegt wird“. „Maria“ als reli­giö­ser Namens­zu­satz gilt als geschlecht­lich neutral.

Die unein­deu­tige Rechts­lage hat schon mehr­mals zu Klagen von Eltern geführt. Im Dezem­ber 2008 beschloss das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, dass der indi­sche Vor­name Kiran trotz seiner geschlecht­li­chen Unein­deu­tig­keit als allei­ni­ger Name ver­ge­ben werden darf. Den Eltern war zuvor vom zustän­di­gen Stan­des­amt die Ein­tra­gung von „Kiran“ als allei­ni­ger Vor­name ihrer Toch­ter ver­wei­gert worden.

Erwach­sene dürfen ihren Namen nur ändern, wenn sie ein beson­ders wich­ti­ges Inter­esse nach­wei­sen können – gerade bei Vor­na­men legen Behör­den Wert auf die Namens­kon­ti­nui­tät. Damit ist die wich­tigste Rege­lung des Trans­se­xu­el­len­ge­set­zes, ab wann ein neuer Vor­name das neue Geschlecht aus­drü­cken darf. Über den Umweg des Namens­wech­sels wird geklärt, ab wann Behör­den auch den Geschlechts- bzw. Iden­ti­täts­wech­sel aner­ken­nen müssen.

Unisex-Namen in den USA

In den USA ist es leich­ter, geschlechts­neu­trale Vor­na­men zu ver­ge­ben. Von den tau­send belieb­tes­ten Mäd­chen- und Jun­gen­na­men, die die Social Secu­rity Admi­nis­tra­tion (SSA) jedes Jahr auf­lis­tet, tau­chen 64 Vor­na­men unter beiden Geschlech­tern auf.

Im Ver­gleich zu den Namen Jacob und Emma, die im Jahr 2008 als die belieb­tes­ten Namen an 22.272 Jungen bzw. 18.587 Mäd­chen ver­ge­ben wurden, ist die Zahl der mit Unisex-Namen getauf­ten Babys aller­dings eher gering. Die geschlechts­neu­trals­ten Namen bewe­gen sich auf der Beliebt­heits­skala meist jen­seits von Rang 500. Der Name „Armani“ schaffte es 2005 immer­hin auf auf Rang 251 der Mäd­chen­na­men, nach­dem er 2002 Platz 222 der Jun­gen­na­men belegt hatte.

Mädchen erobern Jungennamen

Es ist auf­fäl­lig, dass Jun­gen­na­men häu­fi­ger zu Mäd­chen- bzw. Unisex-Namen werden als umge­kehrt. Ähn­lich wie bei „Jaylin“ und „Rory“ wurde der tra­di­ti­ons­rei­che Name „Jordan“ im Jahr 1978 erst­mals auch an Mäd­chen ver­ge­ben. Seit Ende der 80er bewegt er sich unter beiden Geschlech­tern in den Top 100, ver­liert aber unter Mäd­chen nun wieder an Beliebtheit.

Völlig jen­seits der Geschlech­ter­gren­zen lebt Norrie May-Welby. Vor kurzem wurde ihm/ihr in Aus­tra­lien der Pass­e­in­trag „sex: not spe­ci­fied“ zuge­stan­den. Der „andro­gyne Anar­chist“ war als Junge gebo­ren worden, hatte sich zur Frau umope­rie­ren lassen, jedoch später auf die Hor­mone ver­zich­tet und steht jetzt mit 48 Jahren in bio­lo­gi­scher Hin­sicht zwi­schen den Geschlech­tern. Im Zuge der Geschlech­ter­viel­falt werden Stim­men laut, dass For­mu­lare auch die Option „Geschlecht unbe­stimmt“ als Stan­dard anbie­ten, um nie­man­dem eine Iden­ti­tät aufzuzwingen.

Statistische Namensfälle in den USA: Alles in Bewegung zwischen den Geschlechtern

Der Name Jessie wird in den USA seit Beginn der SSA-Namens­sta­tis­tik im 19. Jahr­hun­dert sowohl für Mäd­chen als auch für Jungen ver­wen­det. 2008 war die Ver­tei­lung beson­ders aus­gli­chen: 479 Jungen und 484 Mäd­chen wurden „Jessie“ genannt.

An zwei­ter Stelle der Namen mit der größ­ten Geschlechts­neu­tra­li­tät steht Jaylin. Ursprüng­lich ein Jun­gen­name, wird er seit zehn Jahren auch an Mäd­chen ver­ge­ben. 2008 wurden erst­mals mehr Mäd­chen als Jungen Jaylin getauft.

Auch der Name Rory war von 1947 bis 2002 dem männ­li­chen Geschlecht vor­be­hal­ten, bis 2003 auch Mäd­chen so genannt wurden – 234 an der Zahl. Darauf mag die Serie „Gilmore Girls“ Ein­fluss gehabt haben, die damals in den USA über­aus erfolg­reich lief und deren Haupt­fi­gur Rory heißt. Die Prot­ago­nis­tin trägt den Namen als Kurz­form von Lorelei.

In der jüngs­ten Erhe­bung landet Madi­son als Mäd­chen­name auf Platz vier. Auch dieser Name wurde den Jungen ‚geklaut’. Seit den 80ern wurde er als Mäd­chen­name immer popu­lä­rer, bis er vor etwa zehn Jahren nahezu kom­plett vom weib­li­chen Geschlecht über­nom­men wurde.

Ursprüng­lich für Jungen gedacht war auch Alexis, alt­grie­chisch „der Beschüt­zer“. Doch schon im 20. Jahr­hun­dert wurde er für beide Geschlech­ter ver­wen­det, seit den 70ern liegt er unter Mäd­chen zuneh­mend im Trend. Mög­li­cher­weise hatte Joan Col­lins’ Figur Alexis in „Denver Clan“ ihren Anteil daran. Unter die Top 10 der Mäd­chen­na­men schaffte „Alexis“ es 1996 und hielt sich dort acht Jahre. Inzwi­schen liegt er auf Platz 15 – bei den Jungen nur auf Platz 169.

Aus­nah­men bilden die Namen Reagan und Marley: Als die ersten Jungen 1996 „Reagan“ genannt wurden, war der Name seit elf Jahren für Mäd­chen geläu­fig. „Marley“ ist seit Anfang der 90er ein Mäd­chen­name und taucht in der Sta­tis­tik der 1.000 belieb­tes­ten Jun­gen­na­men erst 2008 auf.

Der Name Sydney ent­stand übri­gens nicht in dem Hol­ly­wood-Trend, seinen Kin­dern Städ­te­na­men zu geben. Der Name war bereits im 19. Jahr­hun­dert für Jungen beliebt und wurde schon damals – wenn auch selten – an Mäd­chen ver­ge­ben. Ab Mitte des 20. Jahr­hun­derts starb er unter Mäd­chen aus und benannte erst 1990 wieder beide Geschlech­ter. Die neu­ge­bo­re­nen Mäd­chen mit dem Namen „Sydney“ über­hol­ten die Jungen im Jahr 1993 von ihrer Anzahl, und im Jahr 2000 hatte der Name mit 1.220 neu­ge­bo­re­nen Syd­neys unter Mäd­chen Hoch­kon­junk­tur. Seit­dem sinkt seine Beliebt­heit als Jungen- wie als Mäd­chen­name wieder.

Über Inga Lín Hallsson (8 Artikel)
BA 2004-2007 an der Uni Bonn und Sorbonne in Paris in Deutsch-französiche Studien, danach 2007-2009 MA an der FU Berlin in Sprachen Europas. Jetzt Volontärin beim TASCHEN Verlag in Köln.