Pompös, plüschig, politisch

[CSD] Jeden Sommer zieht ein bunter Zug durch Berlin. Die CSD-Parade ist trotz des Spek­ta­kels eine poli­ti­sche Ver­an­stal­tung. Das Motto 2010: „Nor­ma­li­tät / Nor­ma­ti­vi­tät – Normal ist anders“.

Bunt und laut wird es am 19. Juni in Berlin zuge­hen. Dann heißt es wieder Abmarsch für meh­rere Tau­send Lesben, Schwule, Bise­xu­elle und Trans­gen­der. Der Chris­to­pher Street Day 2010 – kurz CSD genannt – ist dann offi­ziell eröff­net. Die queere Bewe­gung feiert und demons­triert für ihre Rechte, gegen Dis­kri­mi­nie­rung und Ausgrenzung.

Mit ori­gi­nel­len Kos­tü­men, viel nack­ter Haut, gut­ge­launt und laut ziehen unzäh­lige Homo­se­xu­elle und deren Freunde, Kampf­ge­fähr­ten, Ver­wandte und Unter­stüt­zer zu Fuß oder auf zahl­rei­chen Wagen, beglei­tet von wup­pern­den Elektro­bässen durch die Stra­ßen Ber­lins. Ver­klei­dete Engel­chen, die belieb­ten Arbeits­out­fits Poli­zist und Bau­ar­bei­ter, Ganz­kör­per­la­texan­züge oder ein­fach nur zer­ris­sene T‑Shirts oder eben Natur­klei­dung – der CSD ist zwei­fels­ohne der schrillste Demons­tra­ti­ons­zug. Den­noch for­mierte sich die Parade vor einem erns­ten Hintergrund.

Der Ursprung

Im New York der sieb­zi­ger und acht­zi­ger Jahre waren Homo­se­xu­elle oft will­kür­li­chen und gewalt­tä­ti­gen Poli­zei­über­grif­fen aus­ge­setzt. Am 28. Juni 1969 kam es in der Stone­wall Bar zu einer gewalt­tä­ti­gen Poli­zei­raz­zia. Die Folge waren tage­lange Stra­ßen­schlach­ten zwi­schen Homo­sexuellen und der Poli­zei in der Chris­to­pher Street. Das in New York gegrün­dete Chris­to­pher Street Libe­ra­tion Com­mit­tee und der daraus ent­stan­dene Gedenk­tag brei­te­ten sich bald zu einer inter­na­tio­na­len Bewe­gung aus.

1979 fand in Bremen und Berlin der erste CSD statt. Mitt­ler­weile demons­trie­ren in vielen deut­schen Groß­städ­ten jeden Sommer Schwule und Lesben für ihre Rechte. Die größ­ten Züge ziehen durch Berlin und Köln. Neben dem bunten Trei­ben stehen immer auch ernst­hafte Themen der homo­se­xu­el­len Com­mu­nity wie bei­spiels­weise AIDS oder Dis­kri­mi­nie­rung im Zen­trum. 2009 folgte der Ber­li­ner CSD dem Motto „Stück für Stück ins Homo­glück — Alle Rechte für Alle“ und setzte sich für den Zusatz im Grund­ge­setz des Arti­kels 3 ein, der vor­sieht, dass Men­schen auch auf­grund ihrer sexu­el­len Ori­en­tie­rung nicht dis­kri­mi­niert werden dürfen. Viele Unter­neh­men kon­ser­va­ti­ve­rer Berufs­zweige unter­stütz­ten eben­falls den Umzug oder nahmen deut­lich sicht­bar daran teil, dar­un­ter Vivan­tes oder das Aus­wär­tige Amt.

Poli­ti­ker wie Ber­lins Regie­ren­der Bür­ger­meis­ter Klaus Wowe­reit oder Grünen-Chefin Renate Künast zeigen sich oft bei dem bunten Trei­ben. Neben Pro­mi­nen­ten aus Poli­tik und Kultur und vielen Ver­tre­tern von Unter­neh­men feiern auch viele Hete­ro­se­xu­elle mit. Denn die Parade ist längst zum gesell­schaft­li­chen Groß­ereignis avanciert.

Die Kom­mer­zia­li­sie­rung des CSD

Gegner des CSD werfen den Ver­an­stal­tun­gen vor, es handle sich ledig­lich um eine wei­tere kom­mer­zi­elle Mas­sen­ver­an­stal­tung. Deren eigent­li­ches Ziel – sich mit den Pro­ble­ma­ti­ken der homo­se­xu­el­len Com­mu­nity aus­ein­an­der­set­zen – drohe im Plüsch, Glit­ter und Pomp unter­zu­ge­hen. Vor dem Hin­ter­grund dieser Kritik for­mierte sich der trans­ge­niale CSD, besser bekannt als Kreuz­ber­ger CSD.

Seit 1998 zieht die meist kurz nach dem CSD statt­fin­dende Demons­tra­tion von quee­ren Men­schen durch Kreuz­berg und die umlie­gen­den Ber­li­ner Orts­teile. Man ver­steht sich als poli­ti­sche Alter­na­tive zum kom­mer­zi­el­len CSD, die sich zusätz­lich zu den Themen Dis­kri­mi­nie­rung der homo­se­xu­el­len Com­mu­nity mit sozia­len Themen wie Gen­tri­fi­zie­rung, Abschie­ben, Arbeits­lo­sig­keit oder dem Media­spree-Pro­jekt auseinandersetzt.

Wäh­rend der Kreuz­ber­ger CSD jedoch nur von eini­gen Tau­send besucht wird, ver­zeich­nete der CSD 2009 einen Besu­cher­re­kord: Über eine halbe Mil­lion Men­schen kamen in der Haupt­stadt zusam­men. Die homo­se­xu­elle Com­mu­nity hat viel erreicht. Auch der dies­jäh­rige CSD ver­spricht ein erneu­tes Ereig­nis zu werden. Neu ist der Abschluss des Umzu­ges: erst­mals vor dem Bran­den­bur­ger Tor statt an der Sie­ges­säule. Inmit­ten rosa Plüsch, Latex und Elek­tro­beats trifft man sich zum 32. Gedenk­tag der Schwu­len und Lesben.

Ter­mine

Pride Fes­ti­val: 1. bis 20. Juni
www.prideweek-berlin.de

Stadt­fest am Nol­len­dorf­platz „Glei­che Rechte für Unglei­che“: 12./13. Juni

CSD-Parade: 19. Juni
www.csd-berlin.de

Fuß­ball, Come-Tog­e­ther-Cup: 11. Juli
www.come-together-cup.de

Les­bisch­wu­les Park­fest im Fried­richs­hain: 14. August