Frühlingsgefühle unter die Haut geschaut

Im Früh­ling beginnt alles neu – nicht nur die Bäume schla­gen aus. Auch der Wille sich zu ver­lie­ben ist im Lenz beson­ders groß.

Mann und Frau finden im Frühling zueinander Hormone bestimmen das Verliebtsein, Foto Alrecht Noack

Es beginnt von Neuem. Das Leben macht wieder Sinn. Das ganze Win­ter­se­mes­ter, das man in trüben S‑Bahnen mit grauem Aus­blick ver­brachte, war­tete man. Jetzt ist es da. Das Som­mer­se­mes­ter, das mit dem Früh­ling im April star­tet. End­lich wieder mit dem Fahr­rad zur Uni, zwi­schen den Semi­na­ren in den Park gehen und manche Tuto­rien nach außen ver­le­gen. Die Hor­mone tun ihr übri­ges und schal­ten in den drit­ten Gang. Wir schla­fen weni­ger, sind wacher, und die Haut pri­ckelt und freut sich auf die fri­sche Luft. Und das Herz freut sich auf fri­sche Bekannt­schaf­ten. „Hasch mich, ich bin der Früh­ling”, lautet das Motto.

Hormone in Aufruhr

Hoff­mann von Fal­lers­le­ben sagte es so: „Ich muss hinaus ich muss zu dir / Ich muss es selbst dir sagen: / Du bist mein Früh­ling du nur mir / In diesen lich­ten Tagen.” Anders aus­ge­drückt: Die Men­schen rennen wie bekloppt mit einem brei­ten Grin­sen durch die Stra­ßen. Sie lachen ohne Grund, kichern ohne Grund, und wie groß ist erst die Freude, wenn die Nase in der Sonne kit­zelt, bis man niesen muss. Der Früh­ling ist die Jah­res­zeit der Grund­lo­sig­keit. Es ist die Zeit des Auf­bruchs und des Aus­pro­bie­rens. Für die Ewig­keit wird hier nichts geplant. Man ver­gisst beim Blühen der Kro­kusse das ver­gan­gene Jahr, das sicher nicht so toll war, wie das kom­mende sein wird.

Aber was ändert sich im Früh­jahr wirk­lich? „Bei allen diesen Dingen spielt der Umsatz des Glücks­hor­mons Sero­to­nin im Gehirn eine Rolle, und der ändert sich sehr kurz­fris­tig je nach Anzahl der Son­nen­stun­den am jewei­li­gen Tag”, sagte Psy­cho­lo­gin Mar­lies Pinnow von der Ruhr-Uni­ver­si­tät Bochum gegen­über der „Welt”. Und nun, wo die gute Sonne schlag­ar­tig sehr viel inten­si­ver und länger scheint, trifft uns die gute Laune wie ein Schlag­ham­mer. Der Geruch­sinn werde nach dem abstump­fen­den Winter auch besser und sorge so für „Früh­lings­ge­fühle”, so Pinnow. Die UV-Strah­len wirken wie ein Früh­jahrs­putz für Körper und Seele. Das erwachte Immun­sys­tem ver­lei­tet zum Dau­er­g­rin­sen und die fri­schen Farben und neuen Gerü­che zum Dauerflirten.

Gut riechen

Was könnte auch für den Beginn besser sein, als eine neue Liebe? Ob sie über den Sommer hält, ist vor­erst nicht wich­tig, das Gefühl des Unbe­kann­ten und Neuen zählt. Wie der Früh­ling etwas Unge­stü­mes, Wildes hat, so sollte auch die neue Liebe sein. Dass das andere Geschlecht wirk­lich attrak­ti­ver für uns ist, wenn die Sonne ins Spiel kommt, unter­stützt die Umfrage des Online­por­tals partnersuche.de. In einer Umfrage wurde 2010 die deut­sche Lust auf das gewisse „Mehr” in den ein­zel­nen Jah­res­zei­ten unter­sucht. Bei 86 Pro­zent der 427 Umfra­ge­teil­neh­mer ist dem­nach im Früh­ling die Lust am größ­ten. Bei den Frauen nimmt laut der Studie die Sex­lust vom Früh­ling zum Winter kon­ti­nu­ier­lich ab, wäh­rend bei Män­nern stets ein kons­tantes Lust­le­vel vor­han­den ist. So ist für 81 Pro­zent der Frauen der Sex im Früh­ling „wich­tig” oder „sehr wich­tig”, für 80 Pro­zent im Sommer, für 76 Pro­zent im Herbst und für nur 74 Pro­zent im Winter. Dass die Umfrage nicht reprä­sen­ta­tiv ist, steht außer Frage, aber sie ist ein Indi­ka­tor. Und dass (zumin­dest) Frauen im Winter einen knud­de­li­gen Typen zum Kuscheln suchen, scheint auch nicht so abwe­gig. Im Früh­ling und heißen Sommer sind sie jedoch genauso auf Jagd wie ihre männ­li­chen Zeitgenossen.

Hier wird kein Part­ner fürs Leben, nicht einmal für die langen Win­ter­nächte gesucht, son­dern ein Stück fri­sches Fleisch. Zum Mit­neh­men und zuhause Aus­pa­cken. Oder besser gleich zum Hier-Essen. Die Idee, dass man immer wieder von vorn anfan­gen kann, wird jedes Früh­jahr bedient. Das Motto hier: Nimm mich, ich bin der Frühling.

Manch­mal bleibt es viel­leicht nicht bei den zarten Banden des Früh­lings und den langen Näch­ten im Sommer. Und ab dann ist man jeman­des Winter.