Frühlingsgefühle unter die Haut geschaut
Im Frühling beginnt alles neu – nicht nur die Bäume schlagen aus. Auch der Wille sich zu verlieben ist im Lenz besonders groß.
Es beginnt von Neuem. Das Leben macht wieder Sinn. Das ganze Wintersemester, das man in trüben S‑Bahnen mit grauem Ausblick verbrachte, wartete man. Jetzt ist es da. Das Sommersemester, das mit dem Frühling im April startet. Endlich wieder mit dem Fahrrad zur Uni, zwischen den Seminaren in den Park gehen und manche Tutorien nach außen verlegen. Die Hormone tun ihr übriges und schalten in den dritten Gang. Wir schlafen weniger, sind wacher, und die Haut prickelt und freut sich auf die frische Luft. Und das Herz freut sich auf frische Bekanntschaften. „Hasch mich, ich bin der Frühling”, lautet das Motto.
Hormone in Aufruhr
Hoffmann von Fallersleben sagte es so: „Ich muss hinaus ich muss zu dir / Ich muss es selbst dir sagen: / Du bist mein Frühling du nur mir / In diesen lichten Tagen.” Anders ausgedrückt: Die Menschen rennen wie bekloppt mit einem breiten Grinsen durch die Straßen. Sie lachen ohne Grund, kichern ohne Grund, und wie groß ist erst die Freude, wenn die Nase in der Sonne kitzelt, bis man niesen muss. Der Frühling ist die Jahreszeit der Grundlosigkeit. Es ist die Zeit des Aufbruchs und des Ausprobierens. Für die Ewigkeit wird hier nichts geplant. Man vergisst beim Blühen der Krokusse das vergangene Jahr, das sicher nicht so toll war, wie das kommende sein wird.
Aber was ändert sich im Frühjahr wirklich? „Bei allen diesen Dingen spielt der Umsatz des Glückshormons Serotonin im Gehirn eine Rolle, und der ändert sich sehr kurzfristig je nach Anzahl der Sonnenstunden am jeweiligen Tag”, sagte Psychologin Marlies Pinnow von der Ruhr-Universität Bochum gegenüber der „Welt”. Und nun, wo die gute Sonne schlagartig sehr viel intensiver und länger scheint, trifft uns die gute Laune wie ein Schlaghammer. Der Geruchsinn werde nach dem abstumpfenden Winter auch besser und sorge so für „Frühlingsgefühle”, so Pinnow. Die UV-Strahlen wirken wie ein Frühjahrsputz für Körper und Seele. Das erwachte Immunsystem verleitet zum Dauergrinsen und die frischen Farben und neuen Gerüche zum Dauerflirten.
Gut riechen
Was könnte auch für den Beginn besser sein, als eine neue Liebe? Ob sie über den Sommer hält, ist vorerst nicht wichtig, das Gefühl des Unbekannten und Neuen zählt. Wie der Frühling etwas Ungestümes, Wildes hat, so sollte auch die neue Liebe sein. Dass das andere Geschlecht wirklich attraktiver für uns ist, wenn die Sonne ins Spiel kommt, unterstützt die Umfrage des Onlineportals partnersuche.de. In einer Umfrage wurde 2010 die deutsche Lust auf das gewisse „Mehr” in den einzelnen Jahreszeiten untersucht. Bei 86 Prozent der 427 Umfrageteilnehmer ist demnach im Frühling die Lust am größten. Bei den Frauen nimmt laut der Studie die Sexlust vom Frühling zum Winter kontinuierlich ab, während bei Männern stets ein konstantes Lustlevel vorhanden ist. So ist für 81 Prozent der Frauen der Sex im Frühling „wichtig” oder „sehr wichtig”, für 80 Prozent im Sommer, für 76 Prozent im Herbst und für nur 74 Prozent im Winter. Dass die Umfrage nicht repräsentativ ist, steht außer Frage, aber sie ist ein Indikator. Und dass (zumindest) Frauen im Winter einen knuddeligen Typen zum Kuscheln suchen, scheint auch nicht so abwegig. Im Frühling und heißen Sommer sind sie jedoch genauso auf Jagd wie ihre männlichen Zeitgenossen.
Hier wird kein Partner fürs Leben, nicht einmal für die langen Winternächte gesucht, sondern ein Stück frisches Fleisch. Zum Mitnehmen und zuhause Auspacken. Oder besser gleich zum Hier-Essen. Die Idee, dass man immer wieder von vorn anfangen kann, wird jedes Frühjahr bedient. Das Motto hier: Nimm mich, ich bin der Frühling.
Manchmal bleibt es vielleicht nicht bei den zarten Banden des Frühlings und den langen Nächten im Sommer. Und ab dann ist man jemandes Winter.