Auf die Schnelle

Auch die Part­ner­su­che soll effi­zi­ent ablau­fen. Beim Speed-Dating kann man ohne emo­tio­nale Ver­pflich­tung meh­rere Kan­di­da­ten auf ihre Eig­nung prüfen. Garan­tien gibt es natür­lich nicht.

Mann und Frau treffen ist im Cafe für ein schnelles Kennenlernen Speed-Dating in der X-Bar, man merkt schnell ob man zusammen passt, Foto Albrecht Noack

Zwei unbe­kannte Men­schen sitzen sich gegen­über und ver­su­chen, inner­halb einer defi­nier­ten Zeit den Gegen­über von sich zu über­zeu­gen. Nein, das ist kein Bewer­bungs­trai­ning. Die Rede ist vom „Speed-Dating”. Spä­tes­tens nach dem Film „Shop­pen” aus dem Jahr 2007, in dem 18 Männer und 18 Frauen ein geeig­ne­tes Gegen­stück beim Speed-Dating such­ten, hat jeder eine Vor­stel­lung, worum es beim „marché de l’amor” eigent­lich geht: Schnell und unge­zwun­gen Men­schen kennenzulernen.

Was für den unbe­tei­lig­ten Film-Zuschauer kurz­wei­lige Unter­hal­tung war, wird für jene, die sich auf das Aben­teuer ein­las­sen, eine ernüch­ternde Erfah­rung. „Speed-Dating” kann zwar eine effek­tive Alter­na­tive zu konven­tionellen Kenn­lern-Situa­tio­nen sein, ist aber auch irgend­wie steril.

Im Selbsttest

Sonn­tag­abend, 18:30 Uhr im Prenz­lauer Berg. Markus kommt fünf Minu­ten zu spät zu seinem ersten Speed-Dating in der „X‑Bar”. Kein Pro­blem, denn heute herrscht Män­ner­über­schuss, und Markus darf gleich die ers­te Runde aus­set­zen. In der War­te­zeit macht er sich ein Bild von den Teil­neh­men­den. Alle sind gut geklei­det, zwi­schen 20 und 32 Jahre alt, attrak­tiv und selbst­be­wusst. Die Stim­mung ist locker und unge­zwun­gen, aber professionell.

Acht Minu­ten später hat der Poli­tik­stu­dent sein erstes Gespräch. Anja, Hotel­fach­frau. Erster Ein­druck: nett, aber stren­ger Blick. Sie ergreift die Initia­tive. „Was machst du beruf­lich? Oder stu­dierst du?” Die erste Anspan­nung ver­fliegt beim Erzäh­len. In den nächs­ten acht Minu­ten berich­ten beide ambi­tio­niert von ihren beruf­li­chen Plänen und Akti­vi­tä­ten. Wie in einem Bewer­bungs­ge­spräch. Es wird schnell klar, beide über­zeu­gen sich nicht, es fehlt die per­sön­li­che Basis. Nach Ablauf der Zeit wird Markus sanft an der Schul­ter berührt. Die Orga­ni­sa­to­ren von www.speeddate.de geben das Signal weiterzurutschen.

Auf in die nächste Runde. Katha­rina, Medi­zin­stu­den­tin. Erster Ein­druck: sehr nettes Lächeln! Nach kurzer Vor­stel­lungs­runde haben beide schnell ein Gesprächs­thema gefun­den – Land­tags­wah­len, Atom­krise und Krieg in Libyen. Auch wenn Markus Poli­tik stu­diert, hätte er gern mehr über Katha­rina als Person erfah­ren, aber der erste Ein­druck ist nett – das „Ja” auf dem Ent­schei­dungs­zet­tel ist ihr sicher. Nach dem glei­chen Muster ver­lau­fen die nächs­ten sechs Gesprä­che, mal per­sön­lich, mal locker, mal unsi­cher. Am Ende ist Markus rela­tiv zufrie­den. Für vier der acht Frauen hat er sich ent­schie­den – jetzt heißt es warten.

Banges Hoffen

Das „Speed-Dating”-System ist trans­pa­rent auf­ge­baut. Man meldet sich über eine Online­platt­form an, über­weist das Geld – der güns­tigste Anbie­ter in Berlin kostet 29 Euro pro Abend – geht zum ver­ein­bar­ten Ort, führt die Gesprä­che, trägt auf einem Zettel ein, von wem man gern die Tele­fon­num­mer hätte, geht wieder nach Hause und wartet 48 Stun­den auf das Ergeb­nis. Per­sön­li­che Daten werden erst her­aus­ge­ge­ben, wenn es ein „Match” gibt. Das bedeu­tet, zwei Men­schen bekun­den auf ihren Zet­teln ihre Sym­pa­thie für­ein­an­der. Gibt es kein „Match”, geht man leer aus. Ohne Nummer und mit 29 Euro weni­ger in der Tasche.

Markus hat Glück, bei ihm gibt es zwei „Matches” – da hat sich der Auf­wand gelohnt. Trotz­dem ist der 26-Jäh­rige kri­tisch. Die Vor­teile eines „Speed-Datings” liegen klar auf der Hand: Man lernt schnell viele Leute kennen. Wenn man jeman­den sym­pa­thisch findet, wird das Anspre­chen leicht gemacht. Eine Sicher­heit ist immer gege­ben: Der Gegen­über ist eben­falls „auf der Suche” und will eben­falls jeman­den ken­nen­ler­nen – das lockert die Situa­tion auf. Ein inter­es­san­tes Kon­zept, nur über­teu­ert. Für 29 Euro ist der Spaß nicht gerade güns­tig. Getränke oder andere Rabatte sind nicht inbe­grif­fen. Und ob sich unter den acht Per­so­nen jemand befin­det, den man tat­säch­lich wie­der­tref­fen will – ungewiss.

Selbst­be­wusst­sein ist Pflicht, sonst ist ein locke­res Ken­nen­ler­nen in so kurzer Zeit nicht mög­lich. Die Teil­neh­men­den haben auch ohne die Hilfe von arran­gier­ten Tref­fen Erfolgs­chan­cen. Als Studi finden sich güns­ti­gere Mög­lich­kei­ten für einen unge­zwun­ge­nen Flirt, das ist sicher. Dazu gehört dann nur eine grö­ßere Por­tion Mut.

Über Janine Noack (20 Artikel)
Janine studierte von 2009-2012 Geschichte, Politk und Soziologie an der HU Berlin und absolviert derzeit ihren Master in Modern European History an der Universität Cambridge.