Gebündelte Gegensätze
Wer als Auslandspraktikant im Süden der USA arbeitet, lernt die Licht- und Schattenseiten des American Way of Life außerhalb der Hollywood-Klischees kennen.

Nachdem ich nach dem Abi ein Jahr in Australien war, dauerte es nicht lange und ich hatte wieder Fernweh. Im fünften Semester sollte es ein Praktikum im englischsprachigen Ausland werden. Schnell fiel die Wahl auf die USA, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Durch Zufall hörte ich von der Steuben-Schurz-Gesellschaft, die den Aus- tausch zwischen Amerika und Deutschland fördert und auch ein Praktikumsprogramm hat. Tatsächlich erhielt ich nach meinem ersten telefonischen Bewerbungsgespräch gleich eine Zusage für ein Praktikum. Es sollte nach Charlotte in North Carolina gehen, wo mich ein viermonatiges Praktikum bei einer Film Commission erwarten würde. Nach der Zusage folgten nun die bürokratischen Formalitäten, um mein Visum zu beantragen, eine eigene Unterkunft zu suchen und die Finanzierung zu regeln. Nachdem ich diese Schritte erfolgreich hinter mich gebracht hatte, ging es im Spätsommer endlich in die USA.
Von der Stadt Charlotte wusste ich vorher nicht viel und ließ mich daher überraschen. Ich wusste aber, dass in North Carolina, insbesondere in den Städten Charlotte und Wilmington, viele Filme und Serien produziert wurden, unter anderem die Serien „Dawson‘s Creek“ oder „One Tree Hill“. Beim Film hatte ich vorher noch nicht gearbeitet und war daher umso gespannter, neue Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln. Amerika stellte ich mir hierbei ein bisschen vor wie Australien: Sonniges Wetter, freundliche Menschen und ein ganz anderes Lebensgefühl als in Deutschland – den american way of life eben.
Auslandspraktikum auf Amerikanisch
In Charlotte angekommen, startete ich euphorisch und motiviert in mein Praktikum. Meine Firma saß in einem hohen Wolkenkratzer und die Kollegen waren alle sehr nett. Die Film Commission hatte mit der Filmproduktion an sich nicht viel zu tun, wie ich dachte. Unsere Aufgabe war es, die Filmfirmen zu überzeugen, ihre Serien, Filme oder Werbung in Charlotte und nicht in einer anderen Stadt zu produzieren. Hierbei arbeiteten wir ähnlich wie ein Locationscout, fuhren also zu verschiedenen Orten, fotografierten diese und schickten die Fotos anschließend an die Klienten. Dies konnte eine Bar oder ein Museum sein, aber auch Farmen oder verlassene Fabriken. Die Aufgabe an sich war spannend, aber leider wurde man als Praktikantin kaum in das Geschehen eingebunden. An manchen Tagen saß ich bloß meine Zeit ab. Die Chefin war immer gestresst, warf mir im Vorbeigehen ein „How are you?“ zu und war schon wieder weg, ehe ich antworten konn- te. Auch meine Ansprechpartnerin konnte mir nicht weiterhelfen, als ich sie nach Aufga- ben fragte. Kurzzeitig überlegte ich mir, mein Praktikum abzubrechen, entschied mich dann aber doch dazu, das Beste aus der Sache zu machen und das Praktikum durchzuziehen.
Auslandspraktikum in den USA: Ungewohnter Alltag
Charlotte ist zwar der zweitwichtigste Bank- und Finanzplatz der USA, hat aber für Touristen eher weniger zu bieten. Es gibt zum Beispiel keine richtige Innenstadt mit netten Geschäften, wie man es von Deutschland her kennt. Stattdessen fährt man mit dem Auto zu verschiedenen Shopping Malls, die sich außerhalb des Stadtkerns befinden. Generell ist es sehr schwierig, sich ohne Auto fortzubewegen, an die öffentlichen Verkehrsmittel muss man sich erst einmal gewöhnen. In den Bussen gibt es keine Übersichtspläne oder Durchsagen, zudem fährt in den USA nur der mit dem Bus, der sich kein Auto leisten kann oder seinen Führerschein verloren hat. Oft saß ich als einzige Weiße im Fahrzeug. Generell ist das Thema von Schwarz und Weiß speziell im Süden der USA noch sehr präsent und im alltäglichen Leben sichtbar.
Auslandspraktikum in den USA: Gastfreundliche Südstaaten
Mein Aufenthalt in den USA war definitiv anders, als ich es mir vorgestellt habe. Mit meinem Praktikum und der Stadt hatte ich nicht so viel Glück, dennoch möchte ich die Zeit und die Erfahrung nicht missen. Ich hatte das Glück tolle Freunde kennenzulernen, die ihren amerikanischen Alltag und ihr Leben mit mir geteilt haben. Sie haben am Wochenende Ausflüge mit mir unternommen und mir die Umgebung gezeigt oder mich zu ihrer Familie mit nach Hause genommen. Dabei habe ich die Amerikaner als sehr hilfsbereit und gastfreundlich empfunden. Und auch innerhalb der USA konnte ich kleine Reisen unternehmen. Myrtel Beach (Strandfeeling auch noch im Oktober), Asheville (ein bezaubernder kleiner Hippie-Ort in den Bergen North Carolinas) oder mein Trip an der Westküste (den Grand Canyon bei Schnee und Eis), solche persönlichen Höhepunkte gaben meinem kurzen Amerika-Abenteuer einen besonderen Wert.