Gebündelte Gegensätze

Wer als Aus­lands­prak­ti­kant im Süden der USA arbei­tet, lernt die Licht- und Schat­ten­sei­ten des Ame­ri­can Way of Life außer­halb der Hol­ly­wood-Kli­schees kennen. 

Charlotte ist das zweitwichtigste Bank- und Finanzzentrum der USA nach New York (Foto: Antonia Friemelt).

Nach­dem ich nach dem Abi ein Jahr in Aus­tra­lien war, dau­erte es nicht lange und ich hatte wieder Fern­weh. Im fünf­ten Semes­ter sollte es ein Prak­ti­kum im eng­lisch­spra­chi­gen Aus­land werden. Schnell fiel die Wahl auf die USA, das Land der unbe­grenz­ten Mög­lich­kei­ten. Durch Zufall hörte ich von der Steu­ben-Schurz-Gesell­schaft, die den Aus- tausch zwi­schen Ame­rika und Deutsch­land för­dert und auch ein Prak­ti­kums­pro­gramm hat. Tat­säch­lich erhielt ich nach meinem ersten tele­fo­ni­schen Bewer­bungs­ge­spräch gleich eine Zusage für ein Prak­ti­kum. Es sollte nach Char­lotte in North Caro­lina gehen, wo mich ein vier­mo­na­ti­ges Prak­ti­kum bei einer Film Com­mis­sion erwar­ten würde. Nach der Zusage folg­ten nun die büro­kra­ti­schen For­ma­li­tä­ten, um mein Visum zu bean­tra­gen, eine eigene Unter­kunft zu suchen und die Finan­zie­rung zu regeln. Nach­dem ich diese Schritte erfolg­reich hinter mich gebracht hatte, ging es im Spät­som­mer end­lich in die USA.

Von der Stadt Char­lotte wusste ich vorher nicht viel und ließ mich daher über­ra­schen. Ich wusste aber, dass in North Caro­lina, ins­be­son­dere in den Städ­ten Char­lotte und Wilming­ton, viele Filme und Serien pro­du­ziert wurden, unter ande­rem die Serien „Dawson‘s Creek“ oder „One Tree Hill“. Beim Film hatte ich vorher noch nicht gear­bei­tet und war daher umso gespann­ter, neue Erfah­run­gen in diesem Bereich zu sam­meln. Ame­rika stellte ich mir hier­bei ein biss­chen vor wie Aus­tra­lien: Son­ni­ges Wetter, freund­li­che Men­schen und ein ganz ande­res Lebens­ge­fühl als in Deutsch­land – den ame­ri­can way of life eben.

Auslandspraktikum auf Amerikanisch

In Char­lotte ange­kom­men, star­tete ich eupho­risch und moti­viert in mein Prak­ti­kum. Meine Firma saß in einem hohen Wol­ken­krat­zer und die Kol­le­gen waren alle sehr nett. Die Film Com­mis­sion hatte mit der Film­pro­duk­tion an sich nicht viel zu tun, wie ich dachte. Unsere Auf­gabe war es, die Film­fir­men zu über­zeu­gen, ihre Serien, Filme oder Wer­bung in Char­lotte und nicht in einer ande­ren Stadt zu pro­du­zie­ren. Hier­bei arbei­te­ten wir ähn­lich wie ein Loca­ti­ons­cout, fuhren also zu ver­schie­de­nen Orten, foto­gra­fier­ten diese und schick­ten die Fotos anschlie­ßend an die Kli­en­ten. Dies konnte eine Bar oder ein Museum sein, aber auch Farmen oder ver­las­sene Fabri­ken. Die Auf­gabe an sich war span­nend, aber leider wurde man als Prak­ti­kan­tin kaum in das Gesche­hen ein­ge­bun­den. An man­chen Tagen saß ich bloß meine Zeit ab. Die Chefin war immer gestresst, warf mir im Vor­bei­ge­hen ein „How are you?“ zu und war schon wieder weg, ehe ich ant­wor­ten konn- te. Auch meine Ansprech­part­ne­rin konnte mir nicht wei­ter­hel­fen, als ich sie nach Aufga- ben fragte. Kurz­zei­tig über­legte ich mir, mein Prak­ti­kum abzu­bre­chen, ent­schied mich dann aber doch dazu, das Beste aus der Sache zu machen und das Prak­ti­kum durchzuziehen.

Auslandspraktikum in den USA: Ungewohnter Alltag

Char­lotte ist zwar der zweit­wich­tigste Bank- und Finanz­platz der USA, hat aber für Tou­ris­ten eher weni­ger zu bieten. Es gibt zum Bei­spiel keine rich­tige Innen­stadt mit netten Geschäf­ten, wie man es von Deutsch­land her kennt. Statt­des­sen fährt man mit dem Auto zu ver­schie­de­nen Shop­ping Malls, die sich außer­halb des Stadt­kerns befin­den. Gene­rell ist es sehr schwie­rig, sich ohne Auto fort­zu­be­we­gen, an die öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel muss man sich erst einmal gewöh­nen. In den Bussen gibt es keine Über­sichts­pläne oder Durch­sa­gen, zudem fährt in den USA nur der mit dem Bus, der sich kein Auto leis­ten kann oder seinen Füh­rer­schein ver­lo­ren hat. Oft saß ich als ein­zige Weiße im Fahr­zeug. Gene­rell ist das Thema von Schwarz und Weiß spe­zi­ell im Süden der USA noch sehr prä­sent und im all­täg­li­chen Leben sichtbar.

Auslandspraktikum in den USA: Gastfreundliche Südstaaten

Mein Auf­ent­halt in den USA war defi­ni­tiv anders, als ich es mir vor­ge­stellt habe. Mit meinem Prak­ti­kum und der Stadt hatte ich nicht so viel Glück, den­noch möchte ich die Zeit und die Erfah­rung nicht missen. Ich hatte das Glück tolle Freunde ken­nen­zu­ler­nen, die ihren ame­ri­ka­ni­schen Alltag und ihr Leben mit mir geteilt haben. Sie haben am Wochen­ende Aus­flüge mit mir unter­nom­men und mir die Umge­bung gezeigt oder mich zu ihrer Fami­lie mit nach Hause genom­men. Dabei habe ich die Ame­ri­ka­ner als sehr hilfs­be­reit und gast­freund­lich emp­fun­den. Und auch inner­halb der USA konnte ich kleine Reisen unter­neh­men. Myrtel Beach (Strand­fee­ling auch noch im Okto­ber), Ashe­ville (ein bezau­bern­der klei­ner Hippie-Ort in den Bergen North Caro­li­nas) oder mein Trip an der West­küste (den Grand Canyon bei Schnee und Eis), solche per­sön­li­chen Höhe­punkte gaben meinem kurzen Ame­rika-Aben­teuer einen beson­de­ren Wert.