Behandlungen von Suchterkrankungen: (K)ein Thema für das Medizinstudium?

Eine aktu­elle Studie hat unter­sucht, wie gut künf­tige Ärz­tIn­nen im Rahmen ihres Medi­zin­stu­di­ums auf die Behand­lung ver­schie­de­ner Krank­hei­ten vor­be­rei­tet werden. 

Charité Berlin (Copyright Charité Universitätsmedizin Berlin)

Sie kommt zu dem Schluss, dass Medi­zin­stu­die­rende zwar lernen, wie Blut­hoch­druck sowie Zucker­krank­heit behan­delt werden — die Behand­lung der Alko­hol- und Tabak­a­b­hän­gig­keit wird wäh­rend des Stu­di­ums jedoch kaum the­ma­ti­siert. Die Ergeb­nisse der Studie, an der unter ande­rem Wis­sen­schaft­le­rIn­nen der Cha­rité — Uni­ver­si­täts­me­di­zin Berlin, der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen sowie Wis­sen­schaft­ler aus Ham­burg und London betei­ligt waren, ist in der aktu­el­len Aus­gabe der Fach­zeit­schrift Addic­tion* publiziert.

Studie zu Medizinstudium

In der Studie wurden knapp 20.000 deut­sche Medi­zin­stu­die­rende zu ihrer Vor­be­rei­tung auf die prak­ti­sche Tätig­keit befragt. Damit nahm die Hälfte aller Medi­zin­stu­die­ren­den an 27 deut­schen Fakul­tä­ten an der Studie teil. Es zeigte sich, dass im letz­ten Stu­di­en­jahr nur rund 20 Pro­zent wissen, wie Alko­hol- oder Tabak­a­b­hän­gig­keit behan­delt wird. Nur 7 Pro­zent aller Medi­zin­stu­die­ren­den fühlt sich in der Lage, einen Rau­cher zu bera­ten, der Hilfe bei der Taba­k­ent­wöh­nung sucht. Weit über die Hälfte der Medi­zin­stu­die­ren­den wün­schen sich, im Stu­dium mehr über diese Sucht­krank­hei­ten zu lernen.

Thema Alkohol und Tabak im Medizinstudium

Dabei sind Folgen von Such­ter­kran­kun­gen min­des­tens ebenso schwer­wie­gend wie die ver­brei­te­ter Volks­krank­hei­ten wie Blut­hoch­druck und Dia­be­tes. Jede zehnte Kran­ken­haus­auf­nahme in Deutsch­land ist auf die schäd­li­chen Wir­kun­gen von Alko­hol und Tabak zurück­zu­füh­ren. Fünf Pro­zent aller Deut­schen sind alko­hol­ab­hän­gig; hier­durch ver­kürzt sich die Lebens­er­war­tung um durch­schnitt­lich 23 Jahre. Min­des­tens jeder zweite Rau­cher ver­stirbt an den Folgen des Tabak­kon­sums — das sind in Deutsch­land 140.000 ver­meid­bare Todes­fälle pro Jahr. Die jähr­li­chen volks­wirt­schaft­li­chen Kosten der Tabak- und Alko­hol­ab­hän­gig­keit belau­fen sich auf über 40 Mil­li­ar­den Euro.

Kommunikation lernen im Medizinstudium

»Ärz­tin­nen und Ärzte sehen ihre Haupt­auf­gabe häufig in der Ver­schrei­bung von Medi­ka­men­ten und in der Durch­füh­rung dia­gnos­ti­scher und the­ra­peu­ti­scher Pro­ze­du­ren«, sagte der Stu­di­en­lei­ter Dr. Tobias Rau­pach von der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen und Preis­trä­ger des dies­jäh­ri­gen Ars legendi-Fakul­tä­ten­prei­ses Medi­zin 2012 auf der Pres­se­kon­fe­renz. »Das Gespräch mit dem Pati­en­ten tritt dabei in den Hin­ter­grund, es ist jedoch das ent­schei­dende Ele­ment in der Erken­nung von Sucht­krank­hei­ten und sollte in der Medi­zi­ner­aus­bil­dung mehr Gewicht haben«.

Medizin studieren in Berlin: Suchtprävention ist Thema

An der Ber­li­ner Cha­rité wurde dieses Manko bei der Ent­wick­lung des Modell­stu­di­en­gangs Medi­zin berück­sich­tigt. Such­ter­kran­kun­gen und Sucht­prä­ven­tion sind feste Bestand­teile des neuen Cur­ri­cul­ums. »Bereits im zwei­ten Semes­ter ver­mit­telt das Modul ‚Mensch und Gesell­schaft‘ erste Grund­la­gen der Sucht«, erklärte Prof. Dr. Clau­dia Spies, Pro­de­ka­nin für Stu­dium und Lehre der Cha­rité. In spä­te­ren kli­ni­schen Modu­len erwer­ben die Stu­die­ren­den darauf auf­bau­ende, ver­tie­fende Kennt­nisse. »Pra­xis­be­zo­gene Fer­tig­kei­ten im Umgang mit Sucht­pa­ti­en­ten trai­nie­ren die Stu­die­ren­den in den Lehr­ver­an­stal­tun­gen ‚Kom­mu­ni­ka­tion, Inter­ak­tion, Team­ar­beit‘, die sich über das gesamte Stu­dium erstre­cken«, führte die Pro­de­ka­nin weiter aus. Der­zeit ent­wi­ckelt die Fakul­tät das Teilcur­ri­cu­lum  ‚Ärzt­li­che Betreu­ung von Pati­en­ten mit Suchterkrankung‘.

*Quel­len­an­gabe: Stro­bel et al.: »German medi­cal stu­dents lack know­ledge of how to treat smo­king and pro­blem drin­king«, Addic­tion 2012.