Schauspiel studieren in Berlin

Das jüngste Ensem­ble­mit­glied der Ber­li­ner Schau­bühne Ber­nardo Arias Porras im Gespräch über Stu­den­ten­le­ben, Thea­ter­bühne und der Frei­zeit in Berlin.

Bernardo Arias Porras arbeitet an der Schaubühne und hat Schauspiel an der HfS studiert (Foto: Schaubühne)

„Es muss ange­nehm sein“, sagt er. „Das, was ich tue, muss mir Spaß machen, dann bin ich ein rich­ti­ges Arbeits­tier.“ Ber­nardo Arias Porras, der im Sommer die Schau­spiel­schule Ernst Busch in Berlin ver­lässt und bereits seit eini­ger Zeit fest an der Schau­bühne ange­stellt ist, findet es grau­en­haft, still zu sitzen. Eigent­lich erstaun­lich, denn beim Gespräch am Spree­ufer nimmt er sich Zeit zum Ant­wor­ten, raucht und bleibt ruhig sitzen. Auch die Aus­sage, er habe ja nichts zu sagen, also, zumin­dest nicht mehr als andere, sollte man nicht allzu ernst nehmen. Eine Stunde zwi­schen spie­len­den Kin­dern, der Spree und dem höl­zer­nen Amphi­thea­ter beweist das Gegenteil.

Per Zufall zum Theater

In Berlin auf­ge­wach­sen, lebte Ber­nardo auch für zwei Jahre in Nica­ra­gua, der Heimat seines Vaters. Diesem Lebens­ab­schnitt ver­dankt er beste Spa­nisch­kennt­nisse. Doch in seinem Beruf sei er so sehr an die deut­sche Spra­che gefes­selt, dass er sie kaum gebrau­chen kann. Trotz­dem könne und wolle er sich ein Leben ohne Thea­ter nicht vor­stel­len, auch wenn er eher zufäl­lig – übers Schul­thea­ter und Emp­feh­lun­gen – dazu gekom­men sei. „Es hat sich nie falsch ange­fühlt“, sagt er, aber er habe auch nicht seit frü­hes­ter Kind­heit von diesem Beruf geträumt. Objek­tiv betrach­tet scheint es ein Glücks­pfad, den er hinter sich hat: den Stu­di­en­platz vor dem Abitur, die Anstel­lung vor dem Abschluss an der Schau­spiel­schule. Gute Kri­ti­ken, auch wenn es ihm fast gelingt, sie nicht zu lesen. Fast, denn die Neu­gier sei über­wäl­ti­gend, auch wenn es nur die Mei­nung Ein­zel­ner ist.

Das Geld wert

Schau­spiel sieht er als Hand­werk, die Figur als Summe ihrer Ent­schei­dun­gen. Rollen lernt man besser auf der Bühne kennen, als sich im Voraus mit Gedan­ken zuzu­schau­feln. Über­haupt scheint sein Ver­hält­nis zur Kunst eher prag­ma­tisch als abge­ho­ben, es ergibt sich der Ein­druck eines ent­spann­ten, zufrie­de­nen Men­schen, für den Schau­spie­ler zu sein heißt, dem Publi­kum in jeder Vor­stel­lung ein gewis­ses Niveau garan­tie­ren zu können. Für alles andere sei es unfair, über­haupt Geld zu ver­lan­gen. Er ist ein Tsche­chow-Ver­eh­rer und Sartre-Sym­pa­thi­sant, ein Schick­sals­gläu­bi­ger und Widersprüchlicher.

Ber­nardo hat das Glück, als junger Schau­spie­ler an der Schau­bühne nicht wie andere Anfän­ger an ande­ren Bühnen erst mal „den drit­ten Sol­da­ten von links in der ange­staub­tes­ten Insze­nie­rung“ spie­len zu müssen, son­dern sofort ein­ge­bun­den zu werden, Arbeit zu haben, spie­len zu dürfen. Und das neben Größen wie Lars Eidin­ger und Gert Voss in Shake­speares „Maß für Maß“, wobei er nie Angst davor hat, nicht wahr­ge­nom­men zu werden, „weil man mit­ein­an­der eine Geschichte erzäh­len will und daher in dem Moment, wo man gegen­ein­an­der spielt, schon ver­lo­ren hat.“

Im Sommer wird er als fran­zö­si­scher Revo­lu­tio­när Paul Marat zu sehen sein, wei­ter­hin auch als Prot­ago­nist in „Mär­ty­rer“. Im Gegen­satz zu jenem ist er nie­mand, für den Song­text­zei­len die Welt bedeute; nie­mand, der Gedan­ken so ver­ehrt, dass er sie sich täto­wie­ren lassen würde. „Es gibt sicher Phi­lo­so­phen, die ver­tre­ten, was ich fühle und denke, aber ich habe sie nicht gele­sen, son­dern ent­de­cke und denke lieber selbst.“ Ein junger Mensch auf der Suche nach einer ange­neh­men Ein­stel­lung. Jemand, für den Lesen anstren­gend und eher ein in der S‑Bahn durch­zu­füh­ren­der Über­brü­ckungs­akt ist, der Kochen zele­briert, weil der Zwang zur Nah­rungs­auf­nahme wie­derum lästig erscheint, der schreibt, sich aber nicht als Dich­ter sieht und gebil­det erscheint, ohne es im Gerings­ten darauf anzulegen.

Was bleibt, ist die freie Zeit, die es zu füllen gilt – die Gitarre und eigene Off-Truppe aus Schau­spiel­kom­mi­li­to­nen rei­chen nicht aus. Das ist ein pani­sches Pro­blem, die Suche nach einem Hobby, wäre da nicht das gelobte Berlin. Für das kann sich Ber­nardo Arias Porras jetzt mehr Zeit nehmen als wäh­rend der Aus­bil­dung, für die er Tage mit 18 Stun­den Arbeit in Kauf genom­men hat. Hier kommt wieder das Ange­nehme zum Vor­schein: das Thea­ter, der Luxus, das tun zu können, wofür man brennt. Es lässt den begeis­ter­ten Zuschauer Ber­nardo mit einem wis­sen­den Auge auf die Kol­le­gen zurück. „Thea­ter ist dann wirk­lich gut, wenn es mich ver­zau­bert, ich alles ver­gesse, wieder das stau­nende Kind werde.“

Um gutes Thea­ter zu erhal­ten, enga­giert er sich auch für den Neubau der Schau­spiel­schule Ernst Busch, auch wenn er dazu nicht mehr sagen möchte als: „Wir haben gesiegt.“