Die Zukunft heißt Freiheit

Die Tech­nik befreit uns von alten Zwän­gen. Raum und Zeit ver­lie­ren in Stu­dium und Job an Bedeu­tung. Nur wer sein Ziel im Blick behält, ent­geht der Gefahr, sich selbst zu verlieren.

Die Zukunft gehört der Freiheit. Foto: Albrecht Noack

Die Ent­wick­lungs­ge­schwin­dig­keit im Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter gleicht fast der des freien Falls. Die Tech­no­lo­gie hat Raum und Zeit so weit gekürzt, dass der Mensch nur noch von sich selbst gebremst wird. Fach­wis­sen in der IT hat bereits jetzt eine Halb­werts­zeit von gerade mal einem Jahr. Wer bei dem Tempo vorne dabei sein will, muss Arme und Beine anle­gen, um sich wind­schnit­tig zu machen. Wo heute noch ein Job ist, kann morgen schon keiner mehr sein. Unbe­fris­tete Arbeits­ver­träge sind rar. Zusa­gen bekommt man höchs­tens für ein oder zwei Jahre, und das kann man den Arbeit­ge­bern mitt­ler­weile auch nicht mehr ver­übeln. Wenn man Glück hat, wird das Pro­jekt nach dem Abschluss wei­ter­fi­nan­ziert. Wenn nicht, heißt es wei­ter­su­chen – natür­lich inter­na­tio­nal. Der Arbeits­markt erfor­dert höchste Fle­xi­bi­li­tät und Mobi­li­tät. Mini­ma­listic Life­style ist die Anwort auf die delo­ka­li­sierte „iGe­nera­tion“. Mit­ge­schleppt wird nur, was zum (Über-)Leben not­wen­dig ist: Laptop, Koffer, Kla­mot­ten, ein gesun­der Geist in einem gesun­den Körper. Von allem ande­ren befreit man sich. Bis man irgend­wann mit nichts mehr dasteht und sich allein fühlt.

Statt in Abhängigkeit von Büro und Dienstzeiten zu arbeiten, entscheiden wir nach unserer Motivation, was wir tun.

Auch in Zukunft lautet die Arbeits­for­mel: Die Hälfte der Arbeit­neh­mer muss für das dop­pelte Gehalt drei­mal so viel Arbeit leis­ten. Um damit klar­zu­kom­men, muss man sich mit seiner Tätig­keit iden­ti­fi­zie­ren und per­sön­li­che Erfül­lung dabei emp­fin­den. Der Gang ins Büro ist oft nicht mehr not­wen­dig, und die Wahl des Arbeit­plat­zes ist einem frei­ge­stellt. Arbeit und Frei­zeit werden mit­ein­an­der ver­mischt. Bei­spiels­weise, wenn man mit seinem Laptop in einem Stra­ßen­café sitzt und bei einem Latte mac­chiato als freier Mit­ar­bei­ter eines Ver­lags seinen nächs­ten Arti­kel schreibt. Wich­tig ist es, seiner Arbeit einen ganz per­sön­li­chen, tie­fe­ren Sinn zu geben, ansons­ten ist das auf Dauer nicht durch­zu­hal­ten. Für den Durch­schnitts-User ist der Com­pu­ter mehr ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Unter­hal­tungs­me­dium, als ein Arbeits- und Infor­ma­ti­ons­ge­rät. Stun­den­lan­ges Chat­ten scheint ebenso befrie­di­gend zu sein wie ein Gespräch von Ange­sicht zu Angesicht.

So ist es kein unge­wohn­ter Anblick, wenn sich zwei gegen­über sitzen und lieber mit ihren Smart­pho­nes inter­agie­ren. Dann spielt es keine Rolle, ob die Person im Nach­bar­be­zirk oder im Aus­land ist. Die Gewiss­heit, jeder­zeit Kon­takt zu jeder Person auf­bauen zu können, nimmt einem die Angst vor einem Orts­wech­sel. Das Modell der Ehe auf Lebens­zeit gilt als ver­al­tet. Per­sön­li­che Bewe­gungs- und Ent­wick­lungs­frei­heit wird durch seri­elle Mono­ga­mie sogar mit Gebor­gen­heit vereinbart.

Wissen ist unser Kapital. Egal ob es als Zahl, Fakt oder Computercode vorliegt.

Deutsch­land ist ein Dienst­leis­tungs­land gewor­den. Das wird es auch erst einmal blei­ben. Ein großer Teil der Aka­de­mi­ker wird sich später sein Geld durch den Ver­kauf von Infor­ma­ti­ons­pro­duk­ten – im Inter­net – ver­die­nen. Um mate­ri­elle Güter geht es nicht mehr. Vor­aus­wis­sen ist das neue Kapi­tal, das über Vor­sprung und Erfolg ent­schei­det. Egal ob Deutsch, Chi­ne­sisch oder Java – es werden Codes geschrie­ben, die es in sich haben müssen. Egal ob durch Brain­stor­ming, Freie Asso­zia­tion oder CATWOE-Methode – die rich­tige Idee muss gefun­den, will erdacht werden. Dann wird geschrie­ben bis die Tasten glän­zen – wo, ist gleich.

Com­pu­ter sind über­all. Infor­ma­tio­nen sind imma­te­ri­ell. Des­we­gen lassen sie sich so ein­fach erzeu­gen, ver­viel­fäl­ti­gen und ver­brei­ten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Kopf explo­diert. Am liebs­ten würde man Augen und Ohren schlie­ßen, um die Stille wieder zu hören. Genau das ist ab und zu not­wen­dig. Der Zen wird wieder modern, und zwar als Oase in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft. Man muss lernen, mit Ver­lo­ckun­gen und Ablen­kun­gen umzu­ge­hen, um sich nicht ver­wir­ren zu lassen. Ruhe und Klar­heit: Das gilt für die Recher­che der nächs­ten Haus­ar­beit sowie für unser gesam­tes Leben. Den Kopf frei machen. Raus, was unwich­tig ist.

Mit jeder Freiheit steigt die persönliche Verantwortung. Prioritäten setzt man selbst und läuft vor dem „Burnout“ davon.

Jeder von uns muss für sich selbst den Fall­schirm ziehen, bevor er zu hart auf­schlägt. Das nennt man auch „Bur­nout“. Wenn die Kon­kur­renz schnel­ler ist, dann bezahlt sie auch den Preis dafür. Bei der Frei­heit, alles werden zu können und zu wählen, was man will, muss man für sich selbst einen Rahmen defi­nie­ren, sonst geht man ver­lo­ren im (N)Irgendwo. Sich selbst absicht­lich beschrän­ken und Freund­schaf­ten wieder wich­tig nehmen – ohne das wäre die Zukunft sinn­frei. Doch ganz ohne Bewe­gung wird es wohl nicht gehen. Darum: mini­ma­lis­tisch leben. Also wenig nutz­lo­ses Zeug besit­zen; was wirk­lich gebraucht wird, ist dafür von guter Qua­li­tät. Das ist öko­lo­gi­scher als der alte Kon­sum­wahn. Das ist unsere Zukunft.

Über Frank Döllinger (12 Artikel)
Das Schreiben war schon immer meine Leidenschaft, sowie eine Begeisterung für Naturwissenschaft und Technik zu mir gehört. Nach einer Ausbildung in der Biotechnologie, bin ich nun auch dabei mein interdisziplinäres Fachwissen, um Kenntnisse in der Physik, Mathematik und Informatik zu erweitern. Als Student der "Naturwissenschaften in der Informationsgesellschaft" an der TU-Berlin versuche ich fächerübergreifendes Wissen mit redaktioneller Arbeit zu verknüpfen. Die Mitarbeit bei Stadtstudenten.de macht mir sehr viel Spaß - neben der vielen Erfahrungen die man hier macht.