Ein Schlag ins Gesicht

S‑Bahn-Ansa­gen in Eng­lisch, bunte Weg­wei­ser und Pla­kate mit Mul­ti­kulti-Slo­gans – Berlin berei­tet sich auf den Ansturm der Fuß­ball­fans aus aller Welt vor. Und dann das: Ein Angriff auf einen tür­kisch­stäm­mi­gen PDS-Poli­ti­ker in Lich­ten­berg, ein Afro-Deut­scher wird in Pots­dam ins Koma geprügelt.

Ob die Welt wirk­lich „zu Gast bei Freun­den“ ist, stellte auch der ehe­ma­lige Regie­rungs­spre­cher Kars­ten-Uwe Heye in Frage. Mitte Mai emp­fahl er Tou­ris­ten mit dunk­ler Haut­farbe, bestimmte Gebiete in Ost­deutsch­land zu meiden.

Bereits im Februar bei einer Pres­se­kon­fe­renz der Aktion „Gesicht zeigen!“ betonte er: „Auch wenn die neuen Bun­des­län­der nicht stig­ma­ti­siert werden sollen: Das Pro­blem rechts­ex­tre­mer Gewalt ist vor allem ein ost­deut­sches.“ Ent­täuscht stellte er fest: „Die Ange­bote von Anti-Ras­sis­mus-Aktio­nen, die wir an ost­deut­sche Schul­lei­tun­gen gerich­tet haben, wurden kaum ange­nom­men.“ Gerade in Regio­nen, wo die Situa­tion beson­ders akut ist und immer mehr Frei­zeit­an­ge­bote für Jugend­li­che von der rech­ten Szene orga­ni­siert werden.

„Eine pro­fes­sio­nelle, gut aus­ge­stat­tete Jugend­ar­beit kann eine Menge bewir­ken“, ist Dr. Stefan Bor­mann vom Deut­schen Jugend­in­sti­tut sicher.

Ende Mai prä­sen­tierte er am Zen­trum für Anti­se­mi­tis­mus­for­schung der TU Berlin die Ergeb­nisse seiner Dok­tor­ar­beit. Inter­es­siert haben ihn die rech­ten Jugend­cli­quen, auf deren Konto die Mehr­zahl der rech­ten Gewalt­ta­ten gehen. „Die Jugend­ar­beit hat ihre Gren­zen. Und die liegen dort, wo die orga­ni­sierte rechts­ex­treme Szene anfängt“, erklärt Bor­mann. Aller­dings könne man bei den Jugend­li­chen anset­zen, die sich in den vielen, nicht ver­netz­ten, rech­ten Cli­quen bewe­gen. Diese Cli­quen zeich­nen sich durch eine hohe Gewalt­be­reit­schaft, ein domi­nan­tes Männ­lich­keits­bild und eben ras­sis­ti­sches Gedan­ken­gut aus. „Diese Cli­quen­bil­dung hat Ursa­chen: feh­lende Aner­ken­nung, feh­lende erwach­sene Bezugs­per­so­nen, auto­ri­täre und geschlechts­spe­zi­fi­sche Erzie­hung und die eth­ni­schen Ste­reo­ty­pen in Poli­tik und Medien“, so die Ergeb­nisse von Bor­manns Studie. „Wenn man diese Ursa­chen bekämpft, dann ändert sich auch das Ver­hal­ten dieser Jugendlichen.“

Als Lösungs­an­sätze schlägt Bor­mann des­we­gen vor, weiter mit Schul­pro­jek­ten zu arbei­ten. „Es hat sich gezeigt, dass rechte Gewalt an sol­chen Schu­len zurück­geht, an denen die Jugend­li­chen durch Pro­jekte und Jugend­ar­beit Aner­ken­nung bekom­men.“ Dabei sei es zweit­ran­gig, ob diese Pro­jekte nun spe­zi­elle Anti-Ras­sis­mus-Aktio­nen seien. „Selbst Sport­pro­gramme haben eine posi­tive Wirkung.“

Wie ver­stärkte Jugend­ar­beit aller­dings ange­sichts der knap­pen Mittel in Zukunft aus­se­hen soll, weiß auch Bor­mann nicht. Die Finan­zie­rung des Bun­des­för­der­pro­gramms gegen Rechts­ex­tre­mis­mus „Civi­tas” soll 2007 von neun Mil­lio­nen auf sieben und 2008 auf sechs Mil­lio­nen Euro gekürzt werden. „Da fehlt ein Drit­tel des Geldes“, stellt Monika Lazar, Rechts­ex­tre­mis­mus-Exper­tin der Grünen im Bun­des­tag, fest. In einem Inter­view mit der Inter­net­platt­form mut-gegen-rechte-gewalt.de, äußerte sie sich auch besorgt über die Zukunft: „Wei­tere Auf­ga­ben­be­rei­che kommen dazu, ohne dass sich die Zuwen­dun­gen erhöhen“.

Die Gleich­set­zung von rech­ter Gewalt mit Formen ande­rer Gewalt, zum Bei­spiel gewalt­tä­ti­ger Immi­gran­ten hält Bor­mann für pro­ble­ma­tisch. „Wenn rechte Gewalt von der Poli­tik rela­ti­viert wird, sendet das Signale.“ Auch wenn in den Medien kein Poli­ti­ker der demo­kra­ti­schen Par­teien rechts­ex­treme Gewalt ver­tei­dige, „die Jugend­li­chen hören die Zwi­schen­töne heraus. Wenn bei­spiels­weise Herr Beck­stein erklärt, dass auch ille­gale und kri­mi­nelle Aus­län­der vor rech­ter Gewalt geschützt werden müss­ten. Solche For­mu­lie­run­gen wirken wie eine Legi­ti­ma­tion für die rech­ten Cliquen.