Schnittstellen zur Technik

Maschi­nen sind dem Men­schen unter­tan. Daher muss sich die Schnitt­stelle am Herr­scher ori­en­tie­ren. Das Wissen um gutes „Inter­face Design“ ist zwar jung, hat aber bereits viel erreicht.

Laptop-Bedienung zu Illustration von Usability, User Interface Laptop-Bedienung zu Illustration von Usability, User Interface

Die moderne Wis­sen­schaft vom Inter­face Design begann im Jahre 1963. Genauer gesagt erst am 9. Dezem­ber 1968, als Dou­glas Engel­bart am Stan­ford Rese­arch Insti­tute nach fünf Jahren Ent­wick­lung sein „ X‑Y-Posi­ti­ons-Anzei­ger für ein Bild­schirm­sys­tem“ vor­stellte. Dieser Vor­läu­fer der Com­pu­ter­maus sollte die Art, wie Men­schen Maschi­nen bedie­nen, für immer ver­än­dern. Mit seinem Gerät konnte man den Text­cur­sor frei in einem Text via Kli­cken plat­zie­ren. Das war noch tri­vial. Mit­tels der Tasten auf dem Gerät war es mög­lich, Text­be­rei­che zu mar­kie­ren und an andere Stel­len im Text zu verschieben.

Was uns heute selbst­ver­ständ­lich ist, musste erst 15 Jahre reifen, bevor es sich durch­set­zen konnte. Wesent­lich trugen dazu die For­schun­gen im Xerox-For­schungs­cen­ter PARC bei. Dort wurde in den 70er Jahren neben dem Laser­dru­cker und Vor­läu­fer des Inter­nets auch die Maus­be­die­nung von Com­pu­tern wei­ter­ent­wi­ckelt. Doch erst die junge Firma Apple schuf 1984 mit dem Mac­in­tosh ein Gerät, das diese Tech­no­lo­gie poten­zi­ell jedem ver­füg­bar machte. Die Zahl der Maus­tas­ten wurde auf eine redu­ziert und ein vir­tu­el­les Büro geschaf­fen, das in seinen Grund­fes­ten noch heute besteht.

Das virtuelle Büro

Der Maus­zei­ger reprä­sen­tiert unsere Hand. Wir können damit auf etwas zeigen, etwas auf­neh­men, es an eine andere Stelle beför­dern oder ein Objekt zu einem ande­ren bewe­gen, um eine Aktion aus­zu­lö­sen. Die Schreib­tisch-Meta­pher war gebo­ren und bescherte uns den Papier­korb, Folder (Ordner) für die Ablage und Files („Akten“, Dateien). Wie in der echten Welt können wir eine Akte in einen ande­ren Ordner legen, sie weg­wer­fen oder öffnen und bearbeiten.

Damit war ein vir­tu­el­ler Raum geschaf­fen, der auf abs­trakte Weise den Büro­all­tag abbil­dete und somit für Com­pu­ter­neu­linge leicht erlern­bar war – leich­ter jeden­falls als die kryp­ti­schen Kom­man­dos, mit denen Com­pu­ter bis dahin zu bedie­nen waren. Mit den „Mac­in­tosh User Inter­face Gui­de­li­nes“ schuf Apple außer­dem das erste Hand­buch zur Usa­bi­lity. Darin war fest­ge­legt, wie Menüs funk­tio­nie­ren, wie Icons zu gestal­ten sind, wie Pro­gramme sich zu ver­hal­ten haben, welche Stan­dards bei der Inter­ak­tion mit den Nut­zern bestehen. Damit waren alle Pro­gramme auf dem Mac ähn­lich auf­ge­baut, und die Nutzer konn­ten sich auf die Dateien konzentrieren.

Vom Ingenieur zum Nutzer

In den 90er Jahren erfuhr das „Inter­face Design“ einen Boom. Der Mensch stand plötz­lich im Fokus der Inge­nieu­re. Bis dahin war stets der Inge­nieur der aus­schlag­ge­bende Faktor, und die Nutzer wurden ange­lernt. Die Kogni­ti­ons­psy­cho­lo­gie und zahl­rei­che Stu­dien zeig­ten den Inge­nieu­ren, wie nor­male Men­schen ticken. Exper­ten unter­such­ten nun Maschi­nen, bevor sie auf den Markt kamen, und führ­ten Nut­zer­tests durch. Usa­bi­lity – die Gebrauchs­taug­lich­keit, ein­fa­che Bedien­bar­keit durch den Nutzer – wurde zum Verkaufsargument.

Das Phä­no­men der blin­ken­den Zwölf trat bei vielen Video­re­kor­dern auf. Die Geräte waren so kon­stru­iert, dass es vielen Nut­zern zu mühsam war, sie auf die kor­rekte Zeit ein­zu­stel­len. Inter­face-Gurus wie Jef Raskin klär­ten die Inge­nieure auf. Usa­bi­lity-Exper­ten wie Jakob Niel­sen unter­such­ten Inter­net­sei­ten auf ihre Nutz­bar­keit. Mit weni­gen Ände­run­gen waren damals schon oft deut­li­che Ver­bes­se­run­gen in der Nut­zer­zu­frie­den­heit zu errei­chen: Zufrie­dene Nutzer kommen wieder, kaufen mehr und sind das beste Marketing.

Maschinen für den Menschen

Drei Basis-For­de­run­gen sind bei jeder Maschi­nen­be­die­nung – ob nun Auto, Wasch­ma­schine, Schmelz­ofen, Com­pu­ter – zu berück­sich­ti­gen. Als erstes ist der Mensch zwi­schen 1,45 und 1,95 Meter groß, hat einen bestimm­ten Akti­ons­ra­dius mit seinen Glied­ma­ßen und kann Infor­ma­tio­nen mit den Augen und Ohren wahr­neh­men. Die beste Anzeige nützt nichts, wenn sie sich nicht im Blick­feld befin­det, Hebel müssen mit einem bewäl­tig­ba­ren Kraft­auf­wand zu betä­ti­gen sein; jede Bewe­gung muss so kraft­arm und kurz wie mög­lich sein – Men­schen sind faul. Als zwei­tes hat der Mensch nur begrenzte geis­tige Kapa­zi­tä­ten. Das Kurz­zeit­ge­dächt­nis fasst nur sieben (plus/minus zwei) Infor­ma­tio­nen. Lernen muss sich also lohnen, für gele­gent­li­che Nut­zung wird nie­mand einen mehr­tä­gi­gen Kurs in der Bedie­nung eines Pro­gramms besu­chen. Drit­tens ver­langt der Mensch Respekt. Schnitt­stel­len müssen seine kör­per­li­chen und geis­ti­gen Defi­zite respek­tie­ren, erfolg­rei­che Bedie­nung beloh­nen und Erlern­tes wert­voll erschei­nen lassen bzw. darauf auf­bauen. Eine Inter­net­seite bei­spiels­weise, die völlig anders funk­tio­niert als alle ande­ren, wird nur wenige Kunden anziehen.

Wie Men­schen funk­tio­nie­ren, ist inzwi­schen detail­liert erforscht, und die Maschi­nen­er­fin­der, ‑kon­struk­teure und ‑desi­gner ori­en­tie­ren sich daran. Denn Men­schen wollen nicht wissen, wie Maschi­nen funk­tio­nie­ren, sie wollen sie „ein­fach nur benutzen“.

Genormt

Wie eine gute Schnitt­stelle zwi­schen Mensch und Maschine zu gestal­ten ist, regelt die DIN EN ISO 9241–10:

  • Auf­ga­ben­an­ge­mes­sen­heit: Auf­wand so gering wie mög­lich (Effek­ti­vi­tät, Effizienz)
  • Selbstbeschreibungs­fähigkeit: Stets ver­ständ­li­che Sys­tem­mel­dun­gen/-fragen, die even­tu­ell auf Anfrage erläu­tert werden
  • Steu­er­bar­keit: Der Nutzer star­tet Ab­läu­fe und kann sie zum Bei­spiel hin­sicht­lich Geschwin­dig­keit beeinflussen
  • Erwar­tungs­kon­for­mi­tät: Kon­sis­tente Gestaltung/Bezeichnung/Interaktion, „glei­che Aktion, glei­che Wirkung“
  • Feh­ler­to­le­ranz: Aus­sa­ge­fä­hige Feh­ler­mel­dun­gen, mini­ma­ler Auf­wand bei Korrekturen
  • Indi­vi­dua­li­sier­bar­keit: Der Nutzer kann das Pro­dukt (zum Bei­spiel Bild­schirm­ge­stal­tung) seinen Bedürf­nis­sen anpassen
  • Lern­för­der­lich­keit: Jedes Ele­ment unter­stützt das Ver­ste­hen der Sys­tem­lo­gik, „Assis­ten­ten“, „Demo- / Test-Modus“

Link-Tipp

Wei­tere Arti­kel zur Gebrauchs­taug­lich­keit und Usa­bi­lity von Alex­an­der Florin auf www.zanjero.de und bei www.axin.de.

Eine aus­führ­li­che Dar­stel­lung hat der Autor in seinem Buch „Der Apple-Faktor“ zusam­men­ge­stellt. Die schwarz-weißen Abbil­dun­gen sind dem Buch ent­nom­men. Dieses beleuch­tet die Ent­wick­lung der Com­pu­ter­be­die­nung von Hebeln an Rechen­ma­schi­nen bis hin zum aktu­el­len Mac und Win­dows. [amazon asin=3839185564] oder

Über Alexander (10 Artikel)
1998 bis 2008: Studium ÄdL und Angl/Am an der HU • 2000 bis 2004: Mitarbeit bei UnAufgefordert und Rettungsring • 2005 bis 2011: verantwortlicher Redakteur „Spree“ und „bus“ • mehr auf: www.zanjero.de und www.axin.de