This Ain’t California

62. Ber­li­nale: „This Ain‘t Cali­for­nia“ in Per­spek­tive Deut­sches Kino — Für Kind-Geblie­bene, DDR-Sub­kul­turis­ten, Ska­ter­boys und Skatergirls.

DDR-Skater auf dem Alexanderplatz Ein Skateboard und Beton. Zumindest vom letzten gab es in der DDR mehr als genug. Foto: Harald Schmidt/PR

Das sagt das Programm:

Eine Hymne an die sub­ver­sive Kraft der Vita­li­tät. Außer­dem ein rasant erzähl­ter doku­men­ta­ri­scher Trip durch die fremde, selt­same Welt der „Roll­brett­fah­rer“ in der DDR, einem Land, in dem es neben regime­treuen Bür­gern auch einen erklärt poli­ti­schen Wider­stand gab.

Unab­hän­gig davon exis­tierte in der DDR eine Jugend­re­bel­lion, die sich aus nichts ande­rem legi­ti­mierte, als der Illu­sion jung, unsterb­lich und eigent­lich block­frei zu sein: Drei Kids ent­de­cken in „This Ain’t Cali­for­nia“ auf dem brö­ckeln­den Asphalt der DDR ihre Liebe zum Skaten, was dort in jeg­li­cher Hin­sicht dane­ben, ja inak­zep­ta­bel, und viel­leicht genau des­halb irr­sin­nig auf­re­gend war.Das Punk-Mär­chen einer Clique von Jugend­li­chen, die dazu noch mit mani­scher Ener­gie auch den eige­nen Alltag auf Super 8 fest­ge­hal­ten haben, zeigt DDR-Leben, wie es in dieser Form noch nie erzählt wurde.

Der Film beglei­tet die Wege seiner drei Haupt­fi­gu­ren von der frühen Kind­heit in den Sieb­zi­gern über ihre Sturm-und-Drang-Zeit in den Acht­zi­gern bis zum Herbst 1989, als sie etwa 20 Jahre alt waren und alle Koor­di­na­ten sich schlag­ar­tig und vor allem für immer veränderten.

Das sagen wir:

Die sub­jek­tive Erzähl­weise macht „This Ain’t Cali­for­nia“ intim und mit­rei­ßend. Regis­seur Marten Per­siel kre­iert diese Atmo­sphäre schon dadurch, dass er eine Hand­voll alter Ska­ter­freunde aus den 80ern bei Lager­feuer und Dosen­bier über einen bestimm­ten Freund reden lässt. Dieser Freund, Dennis „Panik“ Panicek, – vor kurzem als Bun­des­wehr­sol­dat in Afgha­ni­stan gestor­ben – war für sie alle der Inbe­griff der Skater-Szene der DDR.

„This Aint Cali­for­nia“ ist kein typi­scher Doku­men­tar­film, son­dern die bunte Nach­er­zäh­lung einer wahren Geschichte. Es kommen keine hoch­tra­ben­den Exper­ten zu Wort, die irgend­eine Jugend­be­we­gung in ihren his­to­ri­schen Kon­text ein­ord­nen, nein, die Kom­men­ta­to­ren des Films reden über eine Epi­sode in der DDR-Geschichte, an der sie selber mit­ge­schrie­ben haben. Neben allen inti­men Erin­ne­run­gen aus dieser für den Zuschauer authen­tisch erzähl­ten Geschichte, wirft Per­siel auch einen Blick auf die poli­ti­sche Dimen­sion des Ska­tens in der DDR. Bezie­hungs­weise die Sub­ver­sion, die man in diesen Sport hin­ein­le­sen wollte. Zu Beginn noch miss­trau­isch beäugt, dann vom Staat geför­dert, wird die Szene um „Panik“ am Ende doch noch mit der Stasi kon­fron­tiert. Hier ein bril­lan­ter Coup, immer wieder den ehe­ma­li­gen Sport­funk­tio­när ein­zu­blen­den, der für die „Roll­brett­fah­rer“ zustän­dig war. So bleibt hinter der stim­mungs­rei­chen Authen­ti­zi­tät der Ori­gi­nal-Super-8-Auf­nah­men, his­to­ri­schem Mate­rial und Schwarz-Weiß-Ani­ma­tio­nen die DDR nicht als Staat der Frei­heit und unge­zü­gel­ten Liebe im Hinterkopf.

Der Titel des Films bezieht sich nicht nur auf das ver­meint­li­che Ska­ter­bild des Wes­tens mit Kali­for­nien als Mekka, in dem sich bunte Tricks und spek­ta­ku­läre Sprünge anein­an­der­rei­hen. Skaten in der DDR war für die Prot­ago­nis­ten keine Art des poli­ti­schen Pro­tests, son­dern eine Hilfe, um ein wenig Kind­lich­keit in das täg­li­che Grau zu pin­seln. Im Staats­ap­pa­rat sah man das damals nicht so, die stän­dige Über­wa­chung zeigt auch über zwei Jahr­zehnte nach dem Mau­er­fall: „This Ain‘t Cali­for­nia“ – trotz der wilden Bilder.

Ein Film für:

Kind-Geblie­bene, DDR-Sub­kul­turis­ten, Ska­ter­boys und Skatergirls

Wann im Programm?

  • So 12.02. 19:30
    Cine­maxX 3 (E)
  • Mo 13.02. 13:00
    Colos­seum 1 (E)
  • Mo 13.02. 20:30
    Cine­maxX 1 (E)
Über Jan Lindenau (25 Artikel)
kann sich nicht daran erinnern, jemals gesagt zu haben, dass er „irgendwas mit Medien machen will“. Ist trotzdem irgendwie Chefredakteur der spree geworden. Große Leidenschaft für Sprache, Literatur, Russland - und ja, Medien.