Tage in der Stadt

62. Ber­li­nale „Tage in der Stadt“ in Per­spek­tive Deut­sches Kino — Für Ein­zel­gän­ger und Systemkritiker 

Nina in einer Unterführung Ihr Bruder, ihre Tochter, ein One-Night-Stand bleiben ihre einzigen Kontakte. Foto: Jesse Mazuch/PR

Das sagt das Programm:

Raus aus dem Gefäng­nis, zurück in die Frei­heit, rein ins nor­male Leben. Man stellt sich den Tag der Haft­ent­las­sung gern als ein großes Ereig­nis vor, doch wieder drau­ßen zu sein, löst in Nina (39) vor allem Leere aus. Tat­säch­lich hat nie­mand auf sie gewartet.

Nach lang­jäh­ri­ger Haft ist Nina aus dem Gefäng­nis ent­las­sen worden. Es beginnt für sie die Suche nach einem Platz in der Welt. Mit Hilfe ihres Bru­ders findet sie schnell eine Woh­nung, auch eine Arbeit, die zwar schlecht bezahlt ist, aber immer­hin. Als sie schließ­lich ver­sucht, mit ihrer mitt­ler­weile erwach­se­nen Toch­ter Anna in Kon­takt zu treten, steht Nina einem frem­den Men­schen gegenüber.

Die Zeit ist brutal über diese Frau hin­weg­ge­gan­gen, und jeder Schritt, den sie unter­nimmt, kon­fron­tiert sie mit den unüber­sicht­li­chen Spiel­re­geln einer ebenso schö­nen wie schnöde abwei­sen­den neuen Welt.

Das sagen wir:

„Tage in der Stadt“ wird auf der 62. Ber­li­nale zusam­men mit den mit­tel­lan­gen Spiel­fil­men „Some­ti­mes you sit and think and some­ti­mes you just sit“ und „Trat­to­ria“ gezeigt. „Tage in der Stadt“ ist der Abschluss­film von Janis Mazuch, Absol­vent der Kunst­hoch­schule für Medien Köln.

Was wür­dest du machen, wenn du nach Jahren wieder aus dem Knast kommen wür­dest? Nina (Pas­calle Schil­ler) hat dafür einen ungläu­bi­gen Gesichts­aus­druck übrig, wäh­rend ihre Zel­len­ka­me­ra­din anfängt zu träu­men: Shop­pen, Burger essen, feiern gehen. Träume gibt es in Ninas Welt keine, eben­so­we­nig wie Ver­trau­ens­per­so­nen in der Welt außer­halb der Gefäng­nis­mau­ern. Für ihren Bruder ist sie ein Pro­blem, das er zwar mate­ri­ell ver­sorgt, aber keine Bin­dung zulässt; von ihrer erwach­se­nen Toch­ter, an die sich Nina im Knast kein ein­zi­ges Mal erin­nert hat, wird sie im China-Restau­rant sitzen gelas­sen; Bezie­hun­gen zu Män­nern ver­har­ren beim kalten One-Night-Stand. In dieser Welt findet Nina keinen Platz, und so bleibt für sie am Ende nur eine Ent­schei­dung übrig.

Ninas Welt ist kalt, jedes Bild wird mit einem trüben Blau­stich auf die Lein­wand pro­ji­ziert. Jedes ist punkt­ge­nau kom­po­niert, hand­werk­lich wird man „Tage in der Stadt“ kaum etwas vor­wer­fen können. Leider können die Ideen in der Hand­lung mit dieser klaren Kom­po­si­tion nicht mit­hal­ten. Zu oft ver­fängt sich der Film in Kli­schees, wie etwa dem des gesichts­lo­sen Beam­ten, dem sein Garten wich­ti­ger ist als der Mensch, der vor seinem Schreib­tisch sitzt und Arbeit braucht. Die Suche des Räd­chen nach einem Platz in dem System, aus dem es vor langer Zeit raus­ge­bro­chen ist, kann fol­ge­rich­tig nur schei­tern. Neue Aspekte dieses Motivs werden jedoch nicht aufgezeigt.

Ein Film für:

Ein­zel­gän­ger und Systemkritiker

Wann im Programm?

  • Mo 13.02. 19:30
    Cine­maxX 3 (E)
  • Di 14.02. 13:00
    Colos­seum 1 (E)
  • Di 14.02. 20:30
    Cine­maxX 1 (E)
Über Jan Lindenau (25 Artikel)
kann sich nicht daran erinnern, jemals gesagt zu haben, dass er „irgendwas mit Medien machen will“. Ist trotzdem irgendwie Chefredakteur der spree geworden. Große Leidenschaft für Sprache, Literatur, Russland - und ja, Medien.