Mahlzeit

„Du bist, was du isst“, sagt der Volks­mund. Aber isst du auch, was du bist? Trin­ken nur Bio­lat­schen­trä­ger Mül­l­er­milch, essen zumeist hippe Leute Sushi und Opas mit ihren Enkeln Storck Riesen?

Manche Leute können sich ja glück­li­ch­es­sen mit Scho­ko­lade, Bana­nen und Nudeln. Ist auch kli­nisch nach­ge­wie­sen. Wegen all der Endor­phine, die durch den Ver­zehr frei­ge­setzt werden. Das funk­tio­niert aber auch mit Sport oder Sex. Warum ist Essen also so ein großes Ding, wel­ches sämt­li­che Frau­en­zeit­schrif­ten Monat für Monat neu ernährt? Schal­tet man das Radio an, geht es die ganze Zeit um „my humps“, ein Mäd­chen ist beau­ti­ful und die boy­friends werden gefragt, ob sie nicht wünsch­ten, ihr girl­friend wäre so hot wie die Sän­ge­rin. Wo blei­ben denn die hoch­ge­prie­se­nen inne­ren Werte? 

Kor­sett der öffent­li­chen Mei­nung

Alles auf die Medien zu schie­ben, wäre aber zu ein­falls­los. Bevor es Massenmedien

gab, hat frau sich ja auch schon mit einem Kor­sett alles Über­fül­lige abge­schnürt. Das Schön­heits­ideal des Men­schen muss aus der Evo­lu­tion des­sel­bi­gen selbst erwach­sen sein. Und wurde später, von den Medien ver­stärkt, in die ganze Welt getra­gen. Dem­nach sind uns schlanke, mus­ku­löse Körper lieber als andere, danach stre­ben wir. Nur, wie bekomme ich einen sol­chen? Durch Sport, Sex und – natür­lich – Essen. 

Wenn sich Frauen (und immer mehr Männer auch) so sehr auf ihr äußer­li­ches Erschei­nungs­bild kon­zen­trie­ren, sind dann heut­zu­tage nicht fast alle latent ess­ge­stört? Latent soll heißen, Hüt­ten­käse statt die heiß­ge­liebte Nutella auf’s Brot, jeden Morgen auf’s Neue die Stim­mung von der Waage ver­mie­sen lassen und jeden Monat das 60 Euro Fit­ness­abo, um das schlechte Gewis­sen ruhig zu stel­len. Das meldet sich recht oft und schlag­ar­tig, und zumeist sehen wir den einen oder ande­ren Ernäh­rungs­fre­vel als nur zu mensch­lich an. Des­we­gen war Brid­get Jones auch unsere Heldin und Sophie Dahl die Ver­rä­te­rin, als sie plötz­lich 20 Kilo für ihre Model­kar­riere abnahm. Heut kennt sie kein Mensch mehr; das hat sie davon, mag man lästern. 

Das Runter-und-Rauf-Prin­zip

Diäten funk­tio­nie­ren meist nach Schema F: Wenig Kalo­rien, kleine Snacks für zwi­schen­durch, und nach drei Wochen sind fünf Kilo runter. So ein­fach wäre das, wäre das Fleisch nicht schwach. Eine Woche nach Diä­tende können oft alle fünf Kilo wieder auf der Waage begrüßt werden: Ah, seid ihr auch schon alle da. Essen ist in unse­ren Brei­ten­gra­den eben nicht nur dazu da, uns vor dem siche­ren Hun­ger­tod zu bewah­ren. Wir leben in keinen Kriegs­zei­ten, und wir sind schon längst nicht mehr das jüngste Geschwis­ter­kind, das um jede Nudel mit den älte­ren kämp­fen muss. Die müt­ter­li­chen Tira­den, nach denen man im Leben Maß halten sollte, ent­hal­ten dem­nach ein Körn­chen Wahr­heit. Das funk­tio­niert bei den meis­ten Men­schen auch ganz gut, immer­hin ver­kauft sich Oli­venöl „extra ver­gine“ in Deutsch­land ja mitt­ler­weile wie von selbst. 

Geht es uns aber einmal nicht so gut, so geht es oft auch unse­ren Ess­ge­wohn­hei­ten ans Ein­ge­machte. Süßig­kei­ten helfen so gut, wenn der Jude Law-Ver­schnitt plötz­lich nichts mehr von einem wissen will. In der Prü­fungs­zeit hilft eh nur Cola, um wach zu blei­ben. Was aber,

wenn Essen irgend­wann dein Leben bestimmt? In der letz­ten Zeit ist ein Trend zu beob­ach­ten, der sich „Pro-Ana“ nennt. Von den Anhän­gern als Hoch­leis­tungs­sport ange­se­hen, packt die Mehr­heit Außen­ste­hen­der oft das Grausen. 

Pro-Ana steht für ein knall­har­tes Ess-Regime, das die totale Kon­trolle über den eige­nen Körper als hohes Ziel dekla­riert. Leit­sätze wie „Lieber dünn als gesund“ oder auch in Inter­net­fo­ren auf­ge­stellte Schön­heits­ideale „Der Bauch muss sich, sitzt man gerade, nach innen wölben“ sind längst keine schie­ren Diät-Tipps mehr, son­dern Teil einer oft gefähr­li­chen Lebens­ein­stel­lung. So hat jeder seine eige­nen Sünden, aber auch Genüsse, wenn es ums Essen oder wört­lich um die Wurst geht. Ich glaub, ich werde mir jetzt eine Pizza mit Käse im Rand bestel­len. Die hab ich mir wirk­lich verdient.