Auszeit

Semes­ter­fe­rien sind keine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Schon lange wird ver­sucht, die Stu­di­en­pau­sen zu vereinheitlichen.

Am 18. Juli beginnt die schönste Zeit im Jahr: die vor­le­sungs­freie Som­mer­zeit. Viele Bolo­gna-Geplagte müssen in den ersten Wochen noch Prü­fun­gen able­gen, aber danach haben auch sie Wochen voller Frei­zeit vor sich. Vor­ge­se­hen ist das von den Uni­ver­si­tä­ten aller­dings nicht.

Das Semes­ter endet offi­zi­ell erst am 30. Sep­tem­ber. Im Zeit­raum ohne Vor­le­sun­gen sollen Semi­nare nach­be­rei­tet, Haus­ar­bei­ten geschrie­ben und das nächste Semes­ter vor­be­rei­tet werden. Das ver­gisst man leicht, wenn das schönste Bade­wet­ter, Frei­luft­ki­nos und Fes­ti­vals nach drau­ßen locken. In den letz­ten Vor­le­sungs­wo­chen fällt das Still­sit­zen schwer, gern werden Tuto­rien ins Grüne ver­legt. Andere euro­päi­sche Kom­mi­li­to­nen genie­ßen dann schon die ersten Tage außer­halb des Hör­saals. Sie haben ihr Stu­di­en­jahr bereits abgeschlossen.

Nicht angepasst

In Län­dern wie Frank­reich, den USA und Eng­land gibt es statt des Winter- und Som­mer­se­mes­ters jeweils vor­ge­zo­gene Herbst- und Früh­jahrs­se­mes­ter. Aus­län­di­sche Stu­den­ten haben Pro­bleme, für ein oder zwei Semes­ter an eine deut­sche Uni zu wech­seln, weil die Vor­le­sungs­zei­ten sich über­schnei­den. Des­halb beschloss die Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz (HRK) bereits 2007 eine Anpas­sung der deut­schen Semes­ter­zei­ten an das euro­päi­sche System.

Die HRK findet es nicht weiter hin­nehm­bar, dass die deut­schen Win­ter­se­mes­ter im Februar bzw. März mit denen in ande­ren Län­dern kol­li­die­ren. Das behin­dert vor allem den inter­na­tio­na­len Aus­tausch. So soll irgend­wann auch in Deutsch­land das Herbst­se­mes­ter am 1. Sep­tem­ber begin­nen und die Vor­le­sungs­zeit im Januar enden. Das Sommer bzw. Früh­jahrs­se­mes­ter soll dann am 1. März begin­nen und Vor­le­sungs­zei­ten bis höchs­tens Ende Juni ent­hal­ten. So hätten auch die deut­schen Stu­den­ten den Sommer wirk­lich frei.

Schleppende Umsetzung

Die Umstel­lung sollte laut HRK län­ger­fris­tig geplant werden. Eine Umset­zung sah man bereits 2007 erst für das Win­ter­se­mes­ter 2010 vor. Doch deut­sche Hoch­schu­len zeigen wenig Taten­drang. Bereits 2006, vor dem HRK-Beschluss, stellte die Uni Mann­heim auf den neuen Turnus um. Es folgte erst einmal niemand.

Im kom­men­den Wintersemes­ter zieht die Hoch­schule Harz nach. „Künf­tige Arbeit­ge­ber, ins­be­son­dere aus der Wirt­schaft, for­dern zuneh­mend erste inter­na­tio­nale Erfah­run­gen von Hoch­schul­ab­sol­ven­ten. Dem müssen wir auch in orga­ni­sa­to­ri­scher Hin­sicht Rech­nung tragen”, weiß Hoch­schul-Rektor Armin Wil­ling­mann. „Zugleich ist zu erwar­ten, dass sich die Anpas­sung der Semes­ter­zei­ten auch auf das Inter­esse aus­län­di­scher Stu­den­ten an einem Stu­dium bei uns posi­tiv aus­wirkt und somit die Anzahl der ‚Inco­mings‘ weiter gestei­gert werden kann”, kom­men­tiert die Lei­te­rin des Aka­de­mi­schen Aus­lands­am­tes, Katja Schim­kus, die Semesterzeitenveränderung.

Berlin wartet

Ber­li­ner Uni­ver­si­tä­ten haben noch keine Umstel­lung ein­ge­lei­tet. Das Unter­fan­gen ist aber auch schwie­rig. Das Zulas­sungs­ver­fah­ren für neue Stu­den­ten muss vor­zo­gen und neu struk­tu­riert werden. Außer­dem muss es eine Über­gangs­zeit geben, die gute Pla­nung erfor­dert. Den Abitu­ri­en­ten, die im Juni ihr Zeug­nis bekom­men, muss die Mög­lich­keit gege­ben werden, sich für das anschlie­ßende Herbst­se­mes­ter, das am 1. Sep­tem­ber begin­nen soll, anmel­den zu können. In der Büro­kra­tie-Maschi­ne­rie ein auf­wän­di­ger Akt. In Berlin hält man sich des­halb wei­ter­hin zurück.

Die Ver­hand­lun­gen über einen frü­he­ren Beginn von Sommer- und Win­ter­se­mes­ter seien „nicht weit gedie­hen”, sagte im Jahr 2008 Uwe Jens Nagel, Vize­prä­si­dent der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät, im Aka­de­mi­schen Senat der Hoch­schule. Die Ber­li­ner Hoch­schu­len wollen die Umset­zung auf jeden Fall gemein­sam planen und durch­füh­ren, Allein­gänge sind nicht geplant.

Im ver­gan­ge­nen Jahr bestärkte die HRK noch einmal die Wich­tig­keit der euro­päi­schen Anpas­sung. „Wir sehen, dass die Kräfte der Hoch­schu­len der­zeit weit über das Ver­tret­bare hinaus ange­spannt sind und des­halb auf die zen­tral wich­ti­gen Themen kon­zen­triert werden müssen. Des­halb wollen wir uns Zeit lassen und nichts über’s Knie bre­chen. Wir halten das Ziel aber für rich­tig und geben es nicht auf”, so HRK-Prä­si­den­tin Mar­gret Win­ter­man­tel. Geht die Anpas­sung wei­ter­hin in diesem Tempo voran, ist es wahr­schein­li­cher, dass sich das Klima den Semes­ter­zei­ten anpasst.

Über Christiane Kürschner (89 Artikel)
2004 bis 2010 Studium (Philosophie, Deutsche Philologie, AVL) an der FU, HU und Uni Bern. 2007 bis 2010 Fachjournalistikstudium. PR-Volontariat bis Juni 2011. Seit Juli 2011 freie Autorin und Texterin. Ihre Leidenschaften: Bücher, Fotografie und Essen- und in allem viel Farben. www.frollein-wortstark.de
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